Deutscher Volksrat für
Böhmen. Ortsrat Prag
Prag als detitsche Hoch-
schulstadt
„te&EUFSCHE
HOCH
1CHUL2
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in 2011 with funding from
University of Toronto
http://www.archive.org/details/pragalsdeutschehOOdeut
PRAG
ALS DEUTSCHE
HOCHSCHUL-
STADT
HERAUSGEGEBEN VOM
ORTSRAT PRAG DES DEUTSCHEN VOLKSRATES
FÜR BÖHMEN
t
1909
: SELBSTVERLAG DES HERAUSGEBERS. :
DRUCK VON CARL BELLMANN IN PRAG.
LR
Prag als deutsche Hochschulstadt.
Erker des Carolinums.
Vorlesungsgebäude der rechts- u.
staatswissenschaftlichen Fakultät.
Prag ist heute eine überwiegend tschechische
Stadt, die Hochburg des Tschechentums. Trotz-
dem besteht ein breites und hochentwickeltes
deutsches Geistesleben. Als alte deutsche Wahr-
zeichen ragen zwei Hochschulen empor: die
älteste Universität deutscher Zunge, die 1348
gegründete, heutige deutsche Karl Ferdinands-Uni-
versität 1 ) und die 1805 ins Leben gerufene deutsche
technische Hochschule.
Prag als deutsche Hochschulstadt ist durch
eine Verbindung zweier Eigenschaften gekenn-
zeichnet, die sich kaum wieder antreffen lässt.
Grossstadt und kleine Universität finden sich hier
in seltener Vereinigung.
Prag ist eine deutsche Grosstadt. Die Zahl
der hier ansässigen Deutschen beträgt minde-
stens 50.000 und macht Prag zur bei weitem
bedeutendsten deutschen Stadt Böhmens. Ver-
möge der besonderen sozialen Schichtung in
Prag bilden diese 50.000 Deutschen die Ober-
schicht einer mächtigen Grosstadt. Ihrer beruf-
lichen Zusammensetzung nach bildet diese Ein-
wohnerschaft einen sozialen Torso, dem der breite
Unterbau der Arbeiterschaft fehlt. Das reiche
deutsche Industrie- und Gewerbeleben Prags
schliesst nach unten mit dem alten und neuen
Mittelstande ab. Es reicht nur bis zu den Klein-
gewerbetreibenden, kaufmännischen Angestellten,
Handwerkern und Werkmeistern. Der allein vor-
handene soziale Oberbau, vertreten durch den
deutschen grundbesitzenden Adel, die Beamtenschaft
*) Über Geschichte und Trennung der Universität vgl. S. 5.
und das Offizierkorps, das Handels- und Industrie-Unternehmertum und
die freien Berufe, und der eben vorgeführte Mittelbau, zu dem noch die
staatlichen Unterbeamten hinzutreten, dürften denen einer Stadt von
250.000 Einwohnern entsprechen. Das deutsche Geistes- und Kulturleben
Prags ist deshalb das einer Grosstadt mit seiner lebendigen gesellschaft-
lichen Berührung und seinen vielseitigen Äusserungserscheinungen. Hier
findet der junge Student jene Reibung der Geister, die ein hochgespanntes
Geistesleben, geistige Beweglichkeit und geistigen Fortschritt erzeugt. Hier
sind all die kulturellen Anregungen und Eindrücke zu finden, die der
empfängliche junge Geist in der seiner Bildung gewidmeten Zeit auf sich
wirken lassen soll.
Zu dieser geistig-kulturellen Umwelt, die allein die Grosstadt zu
bieten vermag, gesellen sich die intim-persönlichen Bildungsbedingungen,
die nur der kleinen Universität und Hochschule eigen sind. Nur die
kleine Universität kennt den engen persönlichen Verkehr zwischen Lehrer
und Schüler. Nur bei kleinerer Zuhörerschaft ist eine ungehinderte Auf-
nahme des in Experimental-Vorlesungen und bei Vorstellungen und Demon-
strationen Gezeigten möglich. Nur bei nicht zu starker Besetzung können
die neben den Vorlesungen immer mehr betonten Übungen zum vollen
Ertrag gebracht werden. Aber auch nur in einer kleinen Studentenschaft
ist jener persönliche Zusammenschluss der einzelnen Glieder zu finden,
der das Studium durch gegenseitige Anregung und Aneifrung belebt, der
Freundschaften entstehen lässt, die ein Leben dauern.
Wie es hinsichtlich all dieser einzelnen Punkte in Prag steht, werden
die folgenden Blätter näher zeigen. Dieser erste Abschnitt schildert die
Studiengelegenheiten für die verschiedenen Wissenschaften an den beiden
Hochschulen. Er wendet sich an den Fach^tudierenden, der hier näheren
Aufschluss über seine Sondergebiete findet. Der zweite Abschnitt soll ein
Bild des deutschen Lebens in Prag entwerfen und dem hierher wandernden
Musensohne die Gewissheit vermitteln, dass er in eine lebendige deutsche
Gemeinschaft eintritt, dass ihn eine Umgebung von hoher geistiger und
künstlerischer Kultur erwartet, dass er eine Stadt mit den seltensten ge-
schichtlichen und künstlerischen Überlieferungen und Denkmälern findet.
Rudolphinum. Gemäldesammlung und Konzerthalle.
Ostseite des Clementinums. Vorlesungsgebäude der theologischen und philosophischen Fakultät.
K. k. deutsche Karl Ferdinands- Universität in Prag.
Prag ist der Sitz der ersten Universität auf dem Boden des römisch-
deutschen Reichs; sie wurde durch Kaiser Karl IV. 1348 gegründet. Nun
brauchte die deutsche studierende Jugend nicht mehr das Ausland, Frank-
reich und Italien, aufzusuchen. Nach dem damaligen Gebrauche war das
neue Prager »Generalstudium« eine Genossenschaft, eingeteilt in vier Zünfte
(Fakultäten), auf kirchlicher Grundlage beruhend ; Kanzler war der jeweilige
Erzbischof von Prag. Die Juristenfakultät erhielt zuerst ein eigenes Kolle-
gienhaus (1383, dann das Rothlöwsche Haus, das jetzige Karolinum, das
1718 umgebaut worden ist), sie sonderte sich auch sonst von den übrigen
Fakultäten ab, dagegen gingen andere Schulen in der Universität auf,
wie die Dominikanerschule zu St. Klemens. Gegen den grossen Auf-
schwung, den das Deutschtum in Böhmen im 14. Jahrhundert genommen
hatte, brach bald eine tschechische Reaktion aus, der die königlichen Räte
zuerst 1385 nachgaben, um dann im Kuttenberger Dekrete vom 18. Januar
1409 vollends zurückzuweichen: an Stelle der bisherigen grossen Mehr-
heit der Deutschen in Universitätsangelegenheiten wurde künstlich eine
eben so grosse tschechische geschaffen, eine Gewaltmassregel, die die davon
betroffenen »deutschen Fremdlinge« zur Auswanderung zwang; die Grün-
dung der Universität Leipzig war die Folge. Schwer geschädigt wurde
die Prager Universität durch diesen Exodus; weitere religiöse Konflikte
begünstigten den völligen Verfall der Schule. Auch der Humanismus
konnte keine durchgreifende Besserung schaffen ; deshalb rief Ferdinand I. 1556
die Jesuiten nach Prag, die das frühere Dominikanerkloster zu St. Klemens
erhielten und hier in dem von ihnen sehr vergrösserten Gebäude (Klemen-
tinum) eine eigene Akademie mit theologischer und philosophischer Fa-
kultät errichteten.
Das beginnende 17. Jahrhundert sieht ein neues Vordringen des
tschechischen Elementes, zugleich mit dem Protestantismus. Vorübergehend
werden die Jesuiten aus Prag vertrieben (1619, dann 1631); das Ende
dieser Kämpfe und der damit verbundenen katholischen Reaktion bezeichnet
aber die Vereinigung der Prager weltlichen und jesuitischen Hochschulen
zu einer einzigen Universität (1654), die jetzt »Karolo-Ferdinandea« heisst.
Gleichzeitig werden neue Organisationsstatute erlassen, so über einen nach
den Fakultäten wechselnden Turnus bei der Rektorswahl. Unter Maria
Theresia werden alle diese Bestimmungen einer gründlichen Revision unter-
zogen, auch der Lehrbetrieb wird auf bessere Grundlage gestellt; in die
Fakultäten werden die graduierten Doktoren und Magister einbezogen, zu
ihrer Überwachung eigene kaiserliche Studiendirektoren bestellt (1760).
Kaiser Josef II. vollendet 1784 diese Reformen; die deutsche Unterrichts-
sprache wird festgesetzt, Vorlesungsverzeichnisse erscheinen.
Das IQ. Jahrhundert bringt unserer Hochschule grosse Veränderungen.
Schon von Anbeginn (1392) hatte sie eigene Gerichtsbarkeit, nun erhält
sie auch politische Rechte: 1845 wird der jeweilige Rektor als gleich-
berechtigtes Mitglied des böhmischen Landtags eingeführt. 1849 wird der
Studienbetrieb ganz umgeändert, das Prinzip der Lehr- und Lernfreiheit
aufgestellt, die Studiendirektoren verschwinden, die Doktoren-Fakultäten
werden von den Professoren-Fakultäten abgetrennt. Einen abermaligen
Umschwung bezeichnet das Jahr 1873: die Doktorenkollegien hören auf, die
Rektorswahl wird den ordentlichen Professoren vorbehalten, die Kanzler-
würde des Erzbischofs auf die theologische Fakultät beschränkt. Endlich
am 28. Februar 1882 wird das Gesetz erlassen, das die Teilung der alten
»Karolo-Ferdinandea« in eine deutsche und eine tschechische Universität
bestimmt: es wurde damit der drohenden Gefahr vorgebeugt, dass die
tschechische Sprache (seit 1848 gesetzlich als Vortragssprache gestattet) an
der Prager Universität die Oberhand bekomme und die deutschen Stu-
denten abermals als »Fremdlinge« von dieser Heimstätte alter Kultur ver-
trieben würden. — Im Wintersemester 1908 9 hatte die Universität 1757
Hörer, wovon 62 auf die theologische, 741 auf die rechts- und staats-
wissenschaftliche, 346 auf die medizinische, 608 auf die philosophische
Fakultät entfielen. Der Lehrkörper besteht gegenwartig aus 153 Dozenten.
Davon gehören an: der theologischen Fakultät 7 ord. Prof., 1 ausserord.
Prof., 2 Priv.-Doz. und 2 Lehramtsadjunkten; der rechts- und staatswissen-
schaftlichen Fakultät 13 ord. Prof., 1 ausserord. Prof., 3 Priv.-Doz. und
1 Supplent; der medizinischen Fakultät 16 ord. Prof., 18 ausserord. Prof.,
27 Priv.-Doz., der philosophischen Fakultät 29 ord. Prof., 10 ausserord.
Prof., 15 Priv.-Doz., 1 Supplent, 7 Lektoren.
Die theologische Fahultät. Das deutsche Volk in Böhmen ruft
gegenwärtig in dem schweren nationalen Kampfe einmütig und energisch
nach deutschen Beamten und deutschen Priestern. Namentlich besteht
in Böhmen ein empfindlicher Mangel an deutschen Priestern, wodurch
ganz deutsche Klöster in Prag, welche die schönsten Pfarreien in Deutsch-
söhmen besitzen, fast ganz tschechisiert wurden, so dass sie für ihre deut-
bchen Stationen nur tschechische Kandidaten ernennen können. Ebenso
fehlt es an Kandidaten des Weltklerus für viele deutsche Städte und Dörfer.
Der Vorwurf, dass man keine deutschen Bewerber aufnimmt, ist nicht ganz
berechtigt, da sich wirklich keine Deutschen gemeldet haben. Doch hat
gerade dieser grosse Mangel an deutschen Geistlichen einen Vorteil für
unsere Studierenden. Zwar darf die Frage, wo werde ich am ehesten eine
Anstellung finden, bei der Wahl des Berufes nicht entscheidend sein.
Allein, wenn jemand nach reiflicher Prüfung die Theologie als Lebens-
beruf gewählt hat, dann ist die Frage wohl berechtigt: wo werde ich am
nötigsten gebraucht, wo erreiche ich mein Ziel am ehesten und am
besten? Und da darf es für einen deutschen Abiturienten in Böhmen
keine andere Antwort geben, als: gehe an die deutsche Universität in
Prag! Hier findet der Studierende eine glänzende Pflanzstätte der theolo-
gischen Wissenschaft. Die Professoren der Fakultät sind durchwegs deutsche
Gelehrte, zum Teile aus Deutschland berufen, deutsche Männer, die sich
selbstverständlich der Jungmannschaft warm annehmen und für die wissen-
schaftliche Ausbildung das Beste leisten. Die Fakultät steht gerade jetzt
auf einer besonderen Höhe, da auch die neuesten Disziplinen, für welche
nur an wenigen Universitäten vorgesorgt ist, vertreten sind, z. B.
Assyriologie, worüber ein eigener Dozent für semitische Dialekte Vorträge
hält. Neu sind auch die wissenschaftlichen Seminare für altes und neues
Testament, für Kirchengeschichte und philosophisch-theologische Propä-
deutik. Für die Kandidaten des theologischen Doktorates ist
besonders gut gesorgt, da der Professor für alttestamentliches Bibelstudium
neben Hebräisch auch Vorlesungen über Arabisch, Aramäisch, Syrisch und
Äthiopisch zu halten pflegt.
Für mittellose Hörer gibt es Freiplätze im Seminare, wo man
unentgeltlich eine sehr gute, vollständige Verpflegung erhält. Hier herrscht
eine nützliche Hausordnung, indem Arbeit und Erholung zweckmässig ver-
teilt sind; auch für Unterhaltung ist gesorgt, denn die Hörer haben hier
einen Gesangverein, ein Rauchzimmer, einen Turnverein etc. Selbst für Aus-
länder gibt es mehrere Stiftungen im Seminar, z. B. für die Hannoveraner
und die aus der Grafschaft Glatz. Für besonders talentierte Kandidaten
bestehen zwei systemisierte Adjunkten-Stellen zur Erwerbung des
theologischen Doktorates, eventuell zur Vorbereitung für das akademische
Lehramt.
Die Rechts- und staatswissenschaftliche FaKultät. Wie an
den übrigen Universitäten Österreichs ist die juristische Fakultät eine
rechts- und staatswissenschaftliche. Dem entspricht die Studienordnung,
welche ausser juristischen auch staatswissenschaftliche Disziplinen wie
Staats- und Verwaltungsrecht, Volkswirtschaftslehre und Finanzwissen-
schaft umfasst, und ebenso das Prüfungswesen, insoferne die Quali-
fikation für den öffentlichen Dienst durch drei Staatsprüfungen er-
worben werden muss, deren eine als staatswissenschaftliche zur rechts-
historischen und judiziellen hinzutritt. Ebenso erfordert die Erwerbung des
Doktorates der Rechte — neben dem es ein selbständiges Doktorat der
Staatswissenschaften noch nicht gibt — die Ablegung theoretischer Prüfungen
(Rigorosen) aus den beiden bezeichneten Fachgruppen.
Die juristische Studiendauer beträgt 8 Semester. Diese werden
durch die rechtshistorische Staatsprüfung als Zwischenprüfung in zwei Ab-
schnitte zerlegt und zwar derart, dass der Zwischenprüfung 4 oder mindestens
3 Semester vorausgehen müssen, 4 oder 5 Semester folgen. Jene sind dem
rechtsgeschichtlichen Studium mit Einschluss des Kirchenrechts gewidmet,
diese dem Studium des geltenden Rechtes und der Staatswissenschaften.
Dabei werden die historischen Fächer in einem Ausmasse gelesen, dass sie
auch von auswärtigen Hörern, die sich zwar nicht dem Studium des öster-
reichischen Rechtes zu unterziehen, wohl aber die auch im Auslande er-
forderte Vorbildung in der römischen und deutschen Rechtsgeschichte zu
erwerben wünschen, mit Erfolg gehört werden können; insbesondere werden
Kollegien abgehalten, welche den in Deutschland üblichen Vorlesungen
über System des römischen Rechts, deutsche Rechtsgeschichte und Grund-
züge des deutschen Privatrechts entsprechen. Ebenso kommen zum Teil
staatswissenschaftliche Vorlesungen für Ausländer unmittelbar in Betracht.
Eine Eigenart des juristischen Studienbetriebes ist die Verbindung von Ver-
waltungsrecht und Verwaltungslehre.
Das Schwergewicht liegt auf den theoretischen Vorlesungen. Diesen
schliessen sich aber mit immer steigender Bedeutung seminaristische
Übungen an, deren Besuch die Unterrichtsbehörde als für die
theoretische wie praktische Ausbildung gleich wertvoll wünscht und empfiehlt.
Sie werden im rechtswissenschaftlichen Seminar, bezw. dem staatswissen-
schaftlichen Institut abgehalten, die mit eigenen Arbeitsräumen und selb-
ständigen Bibliotheken ausgestattet sind. Besonders ausgestaltet ist das
staatswissenschaftliche Institut; es enthält gewählte Spezial-
bibliotheken für Völkerrecht, Staats- und Verwaltungsrecht, Volkswirtschafts-
lehre, Finanzwissenschaft und Statistik. Das rechtswissenschaftliche
Seminar soll rechtsgeschichtlichen, zivilistischen, strafrechtlichen und
prozessrechtlichen Studien dienen. Für jede dieser Gruppen ist ein Grund-
stock von Quellenwerken und Literatur vorhanden. Den Vorlesungen über
Bergrecht dient eine eigene Lehrmittelsam ml ung. Durch die Aus-
schreibung von Preisen, die jüngst namhaft erhöht wurden, soll
den Hörern die Anregung zu wissenschaftlichen Arbeiten gegeben werden ;
die Fach professoren erteilen hiezu die Anleitung und stellen die Behelfe
aus den Seminarbibliotheken zur Verfügung. Um den Blick der Hörer für
die praktischen Verhältnisse zu schärfen, werden alljährlich im Sommer-
semester Exkursionen zur Besichtigung von Bergbau- und Industrie-
unternehmungen und zum Studium ihrer sozialen Einrichtungen unternommen.
Für ;die Juristen haben die Grossuniversitäten die Versuchung mit
sich gebracht, ihre Studien nach einem kärglichen Prüfungserfolg ein-
zurichten, sie in rein äusserer Verbindung mit der Universität unwissen-
schaftlich zu betreiben. Diese Gefahren lassen sich in Prag umso eher ver-
meiden, als hier der einzelne nicht das Gefühl hat, in der Masse zu ver-
schwinden , er kann darauf rechnen, beachtet zu werden und den richtigen
Weg für sein Studium, vielleicht auch für die Berufswahl zu finden. Nicht
zuletzt eröffnet sich auch denen, die öffentliche Ämter im österreichischen
Staate anstreben, gerade in Prag das Verständnis für bestimmte staats-
politische Probleme, ohne deren Kenntnis eine gedeihliche öffentliche Ver-
waltung nicht zu denken ist.
8
Die Volkswirtschaftslehre und Statistik sind, wie an allen
österreichischen Universitäten, der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakul-
tät angegliedert. Da die Volkswirtschaftslehre und die Finanzwissenschaft
eine bestimmte Stellung in der Studienordnung der Rechtshörer haben
und auch Prüfungsgegenstände bei der staatswissenschaftlichen Staats-
prüfung Und dem polititischen Rigorosum der Juristen sind, so ergibt sich
daraus eine gewisse Anpassung an den juristischen Studienbetrieb und an
die Bedürfnisse der Juristen. Eine Beeinträchtigung für Fach-National-
ökonomen und Statistiker erwächst daraus aber nicht. Die beiden Fächer
sind, ebenso wie in Wien, mit drei Ordinarien besetzt. In Deutschland ist
das nur in Berlin, München und Leipzig der Fall, während dort Univer-
sitäten von der Hörerschaft Prags regelmässig nur ein Ordinariat für Volks-
wirtschaftslehre und überhaupt keine besondere Lehrkanzel für Statistik haben.
Die grossen Vorlesungen über allgemeine Volkswirtschaftslehre, spezielle Volks-
wirtschaftslehre und Finanzwissenschaft werden fünfstündig gelesen, während
ihnen in Deutschland nur 4 Stunden gewidmet sind. Die Verbindung mit der
rechtswissenschaftlichen Fakultät hat dazu geführt, dass besondere Vorlesun-
gen über Agrar-, Gewerbe- und Finanzrecht gehalten werden, die eine eigene
Pflege dieser wichtigen Gegenstände bedeuten und eine willkommene Ent-
lastung der volkswirtschaftlichen Vorlesungen hiervon und eine Konzen-
tration auf die speziell volkswirtschaftlichen Probleme ermöglichen. Im
staatswissenschaftlichen Institut werden nationalökonomische Übungen be-
sonders gepflegt und in jedem Semester abgehalten ; vorgeschrittene Studie-
rende finden hier Anregung zu selbständigen Arbeiten unter fortgesetzter
Teilnahme ihrer Lehrer. Die äussern Anregungen sind für den National-
ökonomen besonders reich. Das Nebeneinander der beiden Nationalitäten
in der Stadt und im Lande ist ein günstiger Boden für soziologische und
andere Studien. Prag besitzt eine entwickelte Industrie, und Böhmen ge-
stattet einen in landwirtschaftlicher und industrieller Hinsicht gleich reichen
Anschauungsunterricht. Durch Ausflüge und Besichtigungen werden diese
Möglichkeiten gepflegt. Ein von der Handels- und Gewerbekammer ver-
waltetes technologisches Gewerbemuseum bietet eine ähnlich nur noch in
München und Wien vorhandene Gelegenheit zu gewerbetechnischer Ein-
führung. An der benachbarten technischen Hochschule können Vor-
lesungen und Übungen über Versicherungsmathematik, über Technologie
und Handelswissenschaften besucht werden. Leider fehlt noch die Möglich-
keit, das volkswirtschaftliche Fachstudium durch ein besonderes Doktorat
abzuschliessen. Die Fakultät hat jedoch die Einführung eines solchen beim
Ministerium beantragt.
Die medizinische Fakultät. Die Verbindung von Grosstadt und
kleiner Universität kommt wohl keiner Fakultät so zugute wie der medi-
zinischen. Nur eine Grosstadt bietet die Fülle des Materials auf den
stationären und poliklinischen Instituten, das für einen ausgiebigen An-
schauungsunterricht, für eine Vorführung der Vielheit der Erscheinungen
nötig ist, nur eine kleine Studentenzahl ermöglicht dem einzelnen, an das
Material wirklich heranzukommen und alles Gezeigte wirklich zu sehen
und aufzunehmen. Wie anders liegen z. B. die Bedingungen in einer Augen-
klinik, wenn einige Hundert oder nur 20— 30 Studierende das Operationsfeld
zu sehen wünschen.
Physiologisches Institut.
Die Institute sind zum grossen Teil allerkürzesten Datums (Physio-
logisches und Hygienisches Institut, Landesfindelanstalt), die meisten voll-
kommen modern eingerichtet. Sie verfügen über zahlreiche Arbeitsräume. Jedem
Studierenden ist es möglich, in diesen Instituten neben den vorgeschriebenen
theoretischen Vorlesungen sich an praktischen Übungen für Anfänger zu
beteiligen, oder auch selbständig unter Anleitung der Assistenten und
Kontrolle der Professoren wissenschaftlichen Studien zu obliegen. Das
Arbeiten ist unabhängig von einem besonders zu entrichtenden Pauschale etc.,
sondern wird als „Vorlesung" geführt, und demgemäss ist nur das Kol-
legiengeld zu entrichten.
Die einzelnen Sondergebiete und Institute finden nachstehend eine
kurze Würdigung. Nur einige wenige seien hier kurz vorweg angeführt,
die der Prager Universität andern Städten gegenüber ein besonderes Ge-
präge verleihen. Als wertvoll sei ein eigenes medizinisch-chemisches
Institut sowie ein solches für experimentelle Pathologie her-
vorgehoben. In letzterem ist dem Studierenden die Möglichkeit geboten,
im Tierexperiment pathologische Erscheinungen zu studieren. Eine propä-
deutische Klinik tritt hinzu, an der dem jungen Mediziner Gelegenheit
geboten ist, sich mit den Untersuchungsmethoden vertraut zu machen und
die Erkennung der Krankheitssymptome- insbesondere pathologische Erschei-
nungen der Auskultation und Perkussion sich zu eigen zu machen. Zu den bei-
den anatomischen Instituten für normale und pathologische Anatomie gesellt
sich ein eigenes Institut für Histologie, in dem in systematischen prak-
tischen Kursen, verbunden mit theoretischen Vorlesungen, der Mediziner
das nötige Wissen über die mikroskopische Anatomie erlangen kann. —
Das physiologische Institut wird durch das einzig in seiner Art dastehende,
unten näher beschriebene Laboratorium für allgemeine und ver-
gleichende Physiologie ergänzt.
Bietet das rein theoretische Studium Vorteile und Annehmlichkeiten,
so gilt dasselbe von den Kliniken. Bei einem Stand von rund 1000
Patienten wird in den Vorlesungen alles Wissenswerte und praktisch
10
Wichtige vorgebracht. Die Möglichkeit des Praktizierens ist im weitesten
Ausmasse gegeben. Nicht nur, dass während der Vorlesung ein Student
an das Krankenbett gerufen wird. Die Studierenden können schon vom
I. klinischen Semester ab an den Kliniken (in erster Linie an den medi-
zinischen) tätig sein. Sie sind dann verpflichtet, der Morgen- und Nach-
mittagsvisite beizuwohnen, und können dabei die weitere Entwicklung und
den weiteren Verlauf der Krankheiten studieren. Nebenher werden sie in
den Laboratorien mit den gewöhnlichen Untersuchungsmethoden vertraut
gemacht. Dass alle Kliniken mit den entsprechenden Laboratorien aus-
gerüstet sind, in welchen chemische, bakteriologische, röntgenologische etc.
wissenschaftliche Arbeiten unter der entsprechenden Anleitung ausgeführt
werden können, braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden. —
Während auf den Kliniken diese Art des Praktizierens durch das Semester
ununterbrochen durchgeführt wird, besteht an der geburtshilflichen Klinik
der etwas andere Modus, dass je eine Gruppe von 5 — 6 Studenten für je
eine Woche zu praktizieren haben und für diesen Zweck in einem eigenen
Saale untergebracht werden. Hier werden sie dann von jeder Geburt und
von jedem geburtshilflichen Eingriff verständigt, dem beizuwohnen und
über welchen später zu referieren als Bedingung gesetzt ist.
Neben den Kliniken bieten dem Studierenden der Medizin die für
alle Gebiete bestehenden Polikliniken eine vorzügliche Gelegenheit,
an leichteren, ambulatorisch zu behandelnden Krankheitsfällen reiche Er-
fahrung zu sammeln und leichtere Eingriffe unter Aufsicht der Leiter
vorzunehmen.
Das anatomische Institut, das seit langer Zeit hervorragende
Anatomen, wie Hyrtl, Bochdalek, Henke, Toldt, Aeby und Rabl
an seiner Spitze gesehen hat, zeichnet sich vor allem durch eine selten
wertvolle Sammlung aus. Unter anderen Seltenheiten birgt diese das Ori-
ginal jenes von Goethe untersuchten Schädels mit bisher einzig daste-
hender Knochenwucherung, dessen Abguss sich in Goethes Schädelsamm-
Finsenapparat im
Lichtinstitut.
Dermatologische
Klinik.
11
lung im Weimarer Goethehaus befindet. Das Prager anatomische Museum
enthält auch u. a. die berühmte Sammlung der von Prof. II g aufgemeis-
selten Gehörorgane, eine an Vollständigkeit unerreichte Serie von Präpa-
raten des Tränenapparates, die von der Hand des ersten Ophthalmologen
Ritter v. Has ner stammt, eine sehr vollständige Reihe von Kinderschädeln
jedes Alters und eine reiche vergleichend-anatomische Präparatensammlung
neben den für den menschlich-anatomischen Unterricht dienenden Präpa-
raten. — Die Zahl der jährlichen Sektionen beträgt etwa 100.
Histologisches Institut. Durch die Abtrennung von der Ana-
tomie ist dem Betriebe der Histologie ein grösserer und freierer Spiel-
raum gewährt. Das Institut ist entsprechend eingerichtet. Besondere Auf-
merksamkeit wird der Ausbildung der Studierenden in der mikroskopischen
Technik gewidmet, um sie mit der nötigen Fertigkeit für die Durchführung
eigener Untersuchungen auszustatten.
Das pathologisch-anatomische Institut liegt in unmittel-
barer Nachbarschaft des k. k. allg. Krankenhauses und der Kliniken, sowie
des anatomischen, des histologischen und des exper.-pathologischen Institutes.
Die Zahl der Sektionen beträgt jährlich ungefähr neunhundert. Das Institut
verfügt über ein grosses pathologisch-anatomisches Museum mit einer beson-
ders reichhaltigen Sammlung von Missbildungen und Skeletten (ca. 5800 N.).
Die Bücherei zählt ca. 6000 Bände mit grossen Serien der älteren periodi-
schen Literatur. Bei den Übungen in der patholog. Histologie und den
Elementen der med. Bakteriologie werden jedem Teilnehmer ca. 90 histol.
Präparate für eine kleine Schulsammlung zum Fertigmachen übergeben.
Arbeitsplätze für Vorgeschrittene stehen auf ganze und halbe Tage zur
Verfügung.
Die Lehrkanzel für Physiologie ist mit ihrem mustergiltigen Hör-
saal und mit ihren dem Unterrichte und der Forschung dienenden Labo-
ratorien seit dem Jahre 1905 in einem zweckentsprechenden und was Licht,
Luft und Raum anlangt, freigebig bemessenen Neubaue untergebracht. In
jeder Beziehung aber vollkommen und von ganz hervorragender Mannig-
faltigkeit ist — von der Amtszeit des berühmten Physiologen und physiolo-
gischen Optikers Ewald Hering her — die physiologisch-optische Lehr-
mittelsammlung. Die obligaten physiologischen Übungen der Studenten
werden an einer grösseren Anzahl von Fensterplätzen mit ausgezeichneten
Lichtverhältnissen abgehalten.
Das Laboratorium für allgemeine und vergleichende
Physiologie ist die erste und bisher die einzige Anstalt in Österreich
und Deutschland, welche speziell für den Unterricht und die Pflege dieser
neuen Zweige der biologischen Wissenschaften errichtet wurde. Während
die »Physiologie des Menschen« vorwiegend Organphysiologie ist d. h.
die Aufgabe hat, durch genaue Erkenntnis der normalen Organfunktionen
das Verständnis für die Funktionstörungen des erkrankten Körpers vorzu-
bereiten und diesen medizinischen Bedürfnissen entsprechend hauptsächlich
den Menschen und die Säuger berücksichtigt — befasst sich die allgemeine
und vergleichende Physiologie mit den fundamentalen, allen Organismen
gemeinsamen Lebensvorgängen und bietet daher nicht allein den Medizi-
nern, sondern besonders den Naturhistorikern eine überaus wichtige, bisher
entbehrte allgemein -physiologische Vorbildung, einen Einblick in die
allgemeinen Lebenseigenschaften der Zellen. Das Laboratorium besitzt ein
12
komplett adjustiertes Seewasser-Aquarium mit Durch lüftungs- Einrichtun-
gen, um Meerestiere am Leben zu erhalten und auf diese Art den Studierenden
die Möglichkeit zu geben, die Meeresfauna in ihren prächtigen Formen
und interessanten Reaktionen durch unmittelbare Beobachtung kennen zu
lernen.
Dass die Universität über ein eigenes medizinisch-chemisches
Institut verfügt, ist vorn schon hervorgehoben. Die Anfänger zahlen einen
Reagentienbeitrag von 10 K per Semester, das Arbeiten der Vorgeschrittenen
ist unentgeltlich.
Auch auf das Institut für allgemeine und experimentelle
Pathologie ist vorn schon hingewiesen.
Über gerichtliche Medizin werden getrennte Kollegien für
Mediziner und Juristen abgehalten.
Die Lehrkanzel für experimentelle Pharmakologie ist selbst-
verständlich mit einem eigenen Institut verbunden.
An der Universität besteht auch ein tierärztliches Institut. Es
verfügt über Laboratorien und Stallungen für grosse und kleine Haustiere.
An die Stallungen ist ein Operationslokal für grosse Haustiere angebaut
mit dem für Österreich ersten und einzigen Operationstisch für grosse
Haustiere. Das Institut pflegt vornehmlich die vergleichende Neurologie,
doch werden auch die andern Zweige der vergleichenden Pathologie und
Morphologie nicht vernachlässigt.
Die erste medizinische Klinik hat ein Material von ca. 2500
stationären und 12.000 ambulatorischen Kranken. Der grosse Hörsaal ver-
fügt über einen Röntgenschaukasten und enthält eine Sammlung von Dauer-
präparaten der pathogenen Bakterien nebst Diagrammen u. s. w. Ein
zweiter, ganz moderner Röntgenap parat für Moment- und Teleaufnahmen
befindet sich in einem anderen grossen Zimmer. Ausserdem besitzt die
Klinik fünf grosse Laboratoriumsräume mit Arbeitsplätzen für: 1. chemische
Untersuchungen, 2. mikroskopische Untersuchungen (auch Mikrophoto-
graphie) und Dunkelkammer für Photographie, 3. Tierversuche, 4. ein
grosses bakteriologisches Laboratorium mit allen Behelfen. Die Klinik hat
ferner eine reichliche Handbibliothek und ein grosses Archiv. Zu be-
stimmten Zeiten des Jahres ist der Klinik auch die Abteilung für akute,
ansteckende Infektionskrankheiten (akute Exantheme u. dergl.) angegliedert.
Die zweite medizinische Klinik umfasst einen Krankenbelag
von 80 Betten in 13 Zimmern, sowie eine Reihe von Räumen, die wissen-
schaftlichen Zwecken dienen. Ein Isolierzimmer ist mit blauen Fenster-
scheiben und blauen Lampenkugeln versehen, und dient zur Blaulicht-
behandlung, während ein zweites Zimmer analog eingerichtet nur rotes
Licht einlässt. Die Klinik verfügt über ein chemisches, ein bakteriologi-
sches, ein laryngoskopisches Laboratorium, einen für Röntgentherapie und
-Diagnose sowie für Elektrotherapie bestimmten Raum, und ferner über ein
Arbeitszimmer für Anfänger und ein für alltägliche chemische, mikrosko-
pische und bakteriologische Untersuchungen dienendes Laboratorium.
Weiterhin besitzt die Klinik eine Bibliothek, die neben modernen auch
wertvolle ältere medizinische Werke enthält. Des ferneren hat die Klinik
eine Sammlung makroskopischer und mikroskopischer, sowohl bakteriolo-
gischer als auch histologischer und hämatologischer Präparate. Mit der
Klinik ist eine in zwei Räumen untergebrachte Ambulanz verbunden.
13
Die chirurgische Klinik verfügt über ein umfangreiches und
in jeder Beziehung lehrreiches Krankenmaterial. Bei einem Belegraum von
108 Betten kommen an der Klinik jährlich durchschnittlich 2000 stationäre
Kranke in Behandlung, an welchen durchschnittlich etwa 1000 grosse Ope-
rationen ausgeführt werden. Die Ambulanz der Klinik weist eine Frequenz
von rund 12.000 Patienten im Jahr auf. Das Krankenmaterial ist gewählt;
namentlich reichhaltig ist das Verletzungsmaterial. So beträgt die Anzahl
der an der Klinik behandelten Frakturen über 200, abgesehen von den
zahlreichen ambulatorisch behandelten Frakturen der oberen Extremität.
Aus der grossen Anzahl der ambulatorisch behandelten Patienten ergibt sich
ein reichhaltiges Krankenmaterial für Unterrichtszwecke auf dem Gebiete
der sog. kleinen Chirurgie, der Chirurgie der entzündlichen Erkrankungen
und Verletzungen. An sonstigen Lehrbehelfen sei erwähnt eine reichhal-
tige Bibliothek, eine interessante Sammlung von Gallen- und Blasensteinen,
von pathol.-anatomischen Präparaten, von Licht- und Röntgenbildern, ortho-
pädischen Apparaten und Gypsabgüssen. Angegliedert ist der chirurgischen
Klinik ein Operationsinstitut für junge Ärzte, in dem jährlich
10 Operationszöglinge ihre Ausbildung erhalten.
Die Augenklinik hat einen Belegraum von 120 Betten, ist in
einem 1902 eröffneten Pavillon- Neubau untergebracht und mit den mo-
dernsten klinischen Einrichtungen versehen. Zwei Operationssäle (ein septischer
und aseptischer) sind vorhanden. Im Jahre 1908 fanden 1165 grössere
Augenoperationen und über 500 kleinere statt. Die Ambulanz umfasst
8000 neueingereihte Kranke. Das Institut verfügt über ein grosses, modern
eingerichtetes Laboratorium für anatomische, histologische und experimen-
telle Untersuchungen, sowie über ein bakteriologisches und photographi-
sches Laboratorium (für Mikrophotographie, stereoskopische Photographie).
Die geburtshülfliche und gynäkologische Klinik sind
in zwei getrennten Gebäuden untergebracht; erstere in der Landesgebär-
anstalt, letztere im allgemeinen Krankenhause. Die geburtshülfliche
Klinik umfasst einen sogen, grossen und einen sogen, kleinen
Kreissaal. Die Zahl der jährlichen Geburten beträgt ca. 850. Im Kalender-
jahre 1908 wurden 8 Kaiserschnitte, 6 Pubiotomien etc. vorgenommen
Die gynäkologische Klinik befindet sich im 1901 eröffneten Kaiser
Franz Josefs-Pavillon. Zur Klinik gehört auch ein Ambulatorium (Poli-
klinik). Klinik und Abteilung zusammen besitzen 68 Betten. Ausser-
dem besitzt die Klinik ein histologisches und bakteriologisches La-
boratorium. Bezüglich des Krankenmaterials sei erwähnt, dass im Kalender-
jahre 1908 an der gynäkologischen Klinik Laparotomien 251, vaginale
Operationen (Totalexstirpationen, Myomoperationen, Plastiken) 110, von
anderweitigen Eingriffen (Abortausräumungen, Exkochleationen bei Kollum-
karzinomen, Ablatio mucosae, Inzisionen bei Beckeneiterungen u. s. w.) über
500 vorgenommen wurden.
Der Unterricht in der Dermatologie und Syphilis stützt sich
fast ausschliesslich auf das Krankenmaterial. Es beruht in einem liegenden
Material von 115—122 Kranken mit einer Auf nah meziffer von über 6000
im Jahr. Ferner in einem Ambulatorium von fast 8000 Kranken, welche
insgesamt dem Unterricht zugute kommen können, insoferne die Ordination
für dieselben der Vorlesung vorausgeht. Verglichen mit den Wiener
Kliniken zeigt sich sowohl in Bezug auf das liegende wie auf das ambulante
14
Material ein zumindest gleich günstiges Verhältnis, wobei sich für die
hiesige Lehrkanzel noch der Vorteil ergibt, dass hierorts die ganze Doktrin
an einer Klinik gelehrt wird, während in Wien sich das Material und zum
Teil auch der Unterricht in die dermatologische und syphilidologische
Klinik teilt, so dass der Studierende zur Beherrschung des Gegenstandes
beide Kliniken zu belegen gezwungen ist. Der Klinik ist als der einzigen
in Österreich ein vollständiges Lichtinstitut angegliedert.
Die oto-rhinologische Klinik ist begründet von Hofrat Prof.
Dr. Zaufal, der durch seine grundlegenden Arbeiten auf dem Gebiete der
Chirurgie und Bakteriologie des Ohres, sowie in der Rhinologie hervor-
ragenden Anteil an der Entwicklung dieser Disziplinen in den letzten Jahr-
zehnten genommen und so einen Weltruf erlangt hat. Die Klinik verfügt
über 21 Betten und hat eine Ambulantenzahl von ca. 5000 Kranken im Jahre.
Das Poliklinische Institut umfasst:
1) die Abteilung für interne Medizin : Jährlicher Krankenzuwachs 4000 — 5000
Fälle ;
2) für Chirurgie. Jährlicher Krankenzuwachs 1500—2000 Fälle;
3) für Augenheilkunde: Zuwachs 3000 — 4000 Fälle;
4) Abteilung für Frauenkrankheiten: 400—500 Fälle;
5) Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten: Zuwachs 1200 — 1500
Fälle pro Jahr;
6) Abteilung für Erkrankungen der Säuglinge: 1000 — 1200 Fälle im Jahr.
Kranke, welche das Bett hüten müssen, werden vom Institute in Haus-
behandlung übernommen. Die Hörer können den Vorstand bei den Haus-
visiten begleiten und haben so Gelegenheit, den ganzen Verlauf jedes
einzelnen Falles vollständig zu verfolgen.
Die Kinderklinik der k. k. deutschen Universität in der
Landesfindelanstalt und die mit ihr verbundene deutsche Ab-
teilung der Findelanstalt sind in einem modern eingerichteten Gebäude
untergebracht. Ausser den für 150 Doppelbetten eingerichteten Kranken-
zimmern dienen dem Unterrichte und der wissenschaftlichen Arbeit ein
chemisches und ein bakteriologisches Laboratorium und ein Bibliothek-
zimmer. Mit der Klinik ist ein Ambulatorium verbunden, in dem kranke
Kinder poliklinisch behandelt werden. Das stationäre Krankenmaterial ist
das der deutschen Abteilung der Findelanstalt. Es beträgt etwa 1200
Kinder im Jahre, der durchschnittliche Tagesstand etwa 100. Da dieses
Krankenmaterial derzeit ausschliesslich aus Säuglingen besteht, so bildet
das Ambulatorium, in dem Kinder jeglichen Alters behandelt werden, eine
wesentliche Ergänzung für den Unterricht in Kinderkrankheiten.
Das Kaiser Franz Josef -Ki nderspital enthält 100 Betten; in
diesem Spital ist die Kinderklinik untergebracht. Ausser der Klinik mit 20 Betten
besteht eine chirurgische Station, drei Infektionsabteilungen, und zwar je
eine für Diphtherie, Scharlach und Masern, eine Säuglingsabteilung, ein
bakteriologisches Kabinet, eine Bibliothek, ein Seziersaal mit Prosektur und
eine Sammlung von patholog.-anatomischen Präparaten. Die Zahl der in
der Anstalt verpflegten Kinder betrug in den letzten 3 Jahren 1000 bis
1100, die der ambulant behandelten Patienten 9000 bis 10 000.
15
Die psychiatrische Klinik ist mit einer Ambulanz für
Nervenkranke verbunden. Ein Laboratorium gibt Gelegenheit zu Studien,
insbesondere in der pathologischen Histologie des Nervensystems.
Das zahnärztliche Institut ist auf das modernste eingerichtet.
Es umfasst einen Plombiersaal mit 7 Stühlen, einen Operationssaal, ein
technisches Arbeitszimmer mit 3 Stühlen und ein technisches Laboratorium.
Das Laryngologische Institut ist mit den notwendigen Be-
helfen zur Untersuchung, Behandlung und Operation der Nasen-, Rachen-,
Kehlkopf-, Luftröhren- und Speiseröhrenerkrankungen ausgestattet.
Die philosophische FaKultät. In den naturwissenschaft-
lichen Disziplinen der philosophischen Fakultät liegt das Schwergewicht
auf den Arbeiten und Übungen in den Laboratorien und Instituten. Es ist
daher sehr günstig, dass sie meist in verhältnismässig neuen Gebäuden
untergebracht sind, deren räumliche Nähe den Studierenden sehr zugute
kommt. Es darf darauf hingewiesen werden, dass die Einrichtungen modernen
Ansprüchen genügen, dass Arbeitsplätze in hinreichender Zahl zur Verfügung
stehen, und dass sich die Frequenz in Grenzen bewegt, die es dem Lehrer
möglich machen, sich mit jedem der Praktikanten persönlich zu befassen
und ihn seinen Neigungen und Fähigkeiten entsprechend zu fördern, wobei
Assistenten und Adjunkten den Professoren hilfreich zur Seite stehen.
Auch in der humanistischen Gruppe der philosophischen Fakultät
wird gegenwärtig ein grosses Gewicht auf die Seminarübungen gelegt,
die sich der nicht allzu grossen Besucherzahl entsprechend besonders er-
giebig gestalten und nach einzelnen Gruppen von Hörern abgestuft sind.
Anfänger können weit mehr Berücksichtigung finden als z. B. in Wien.
Alle Seminare besitzen zweckentsprechende Büchereien, die meisten eigene
Übungsräume. Allen Seminaren stehen mehrere Stipendien für besonders
gute Arbeiten zur Verfügung; an einigen bestehen Bibliothekar- oder
Assistentenstellen, die begabten Studenten erreichbar sind.
Das Fach der Philosophie ist durch 5 Dozenten vertreten.
2 ordentliche Professoren und 3 Privatdozenten halten Vorlesungen
über die verschiedenen Disziplinen, und zwar so, dass sie sich möglichst
ergänzen. Den Vorlesungen über Sinnespsychologie dient eine Sammlung
von Apparaten, insbesondere zu Demonstrationen auf optischem und
akustischem Gebiete. Weiter wird der philosophische Unterricht unter-
stützt durch Seminarübungen, die in 2 Sektionen abgehalten werden,
wovon die eine dem Vortrag und der Kritik selbständiger Arbeiten der
Seminarmitglieder, die andere der gemeinsamen Lektüre und Besprechung
philosophischer Schriftsteller gewidmet ist. Den Zwecken des Seminars
dient auch eine Bibliothek ausgewählter Werke historischen und systematischen
Inhalts.
Dem mathematischen Unterricht widmen sich drei Dozenten,
ein Ordinarius, ein Extraordinarius und ein Privatdozent. Die Vorlesungen
bringen in einem vierjährigen Turnus alle grundlegenden Teile sowohl der
reinen, als der angewandten Mathematik zur Darstellung. Ferner wird
stets darauf gesehen, dass das Hauptkollegium „Infinitesimalrechnung" in
jedem Jahre gehalten wird. Der Spezialarbeit der Studierenden dient das
mathematische Seminar. Zum kleineren Teil wird die verfügbare Zeit der
16
Abhaltung von Übungen für Anfänger gewidmet; überwiegend wird an-
gestrebt, die fortgeschrittenen Studierenden zu selbständiger Arbeit zu
führen. Den Studierenden steht, auch wenn sie sich nicht an den Seminar-
übungen beteiligen, die Benützung der Seminarbibliothek frei.
Die Sternwarte der Prager deutschen Universität liegt
im Universitätsgebäude (Klementinum) selbst und ist von den Hörern der
Astronomie leicht zu erreichen. Sie besteht aus dem 1751 erbauten Stern-
wartenturme, aus dem 1886 erbauten modernen Meridianzimmer und
einem astronomischen Museum mit mehreren historisch-interessanten und wert-
vollen Instrumenten, Apparaten, Abbildungen etc. Der Turm besitzt eine
Beobachtungsgalerie in 38 Meter Höhe mit schöner Aussicht über die ganze
Stadt. Im Turme, von welchem aus durch 4 grosse Türen beobachtet
wird, befinden sich: Ein festaufgestelltes 6-zölliges Äquatoreal von Stein-
heil in München, 4 Standfernrohre, 1 Kometensucher, 1 Theodolit, 1 Sextant,
1 Prismenkreis und 3 Pendeluhren. Daselbst werden Beobachtungen der
Mondoberfläche, der veränderlichen Sterne mittelst eines Keil-Photometers,
von Kometen und Nebelflecken, der Jupitertrabanten-Verfinsterungen, der
Sternbedeckungen durch den Mond, der Sternschnuppen, der Sonnen-
oberfläche mit ihren Flecken und der Sonnen- und Mondfinsternisse an-
gestellt. Im Meridianzimmer, sind 2 Passageninstrumente vorhanden.
Hier befindet sich die Normalpendeluhr der Sternwarte mit elektrischer Re-
gistriereinrichtung nebst zwei Chronometern. Daselbst geschehen die Beobach-
tungen zur Zeitbestimmung aus Äquator und Polsternen. Ferner werden
beobachtet die Passagen des Mondes durch den Meridian (Mondkulmi-
nationen), der Planeten und der helleren Kometen. Ausserdem besteht
an dem einen Passageninstrumente eine Einrichtung um scharfe Pol-
höhen-Messungen vornehmen zu können. Das astronomische Museum
besitzt 2 Original-Sextanten von Tycho Brahe, 4 alte kostbare Kunstplaneten-
uhren (Unika), mehrere andere historische Apparate, zahlreiche Abbildungen
hervorragender Astronomen, Mathematiker und Physiker, viele Photographien
des Mondes, der verschiedenen Sternwarten und ihrer Instrumente, instruk-
tive Zeichnungen bezw. Tafeln für den astronomischen Unterricht etc. Die
Sternwarte besitzt noch aus dem 18. Jahrhundert zwei grosse Mauer-
quadranten, die in der Süd- und Nordwand des Turmes befestigt sind und
ein altes Dollond'sches Äquatoreal. Alle Räume der Sternwarte können
zur Nachtzeit elektrisch beleuchtet werden. Da die Prager Sternwarte auch
ein magnetisch-meteorologisches Observatorium ist und viele
Apparate für den bezüglichen täglichen Beobachtungsdienst besitzt, ist an
ihr Gelegenheit vorhanden, sich auf magnetisch-meteorologischem Ge-
biete zu betätigen.
Im physikalischen Institut werden allgemeine und spezielle
Vorlesungen und Übungen über Experimentalphysik abgehalten, und es ist
so die Möglichkeit einer experimentellen Ausbildung von allem Anfange
an bis zu selbständigen wissenschaftlichen Arbeiten (meistens Dissertationen)
gegeben.
Mit der Lehrkanzel für mathematische Physik ist das mathe-
matisch -physikalische Institut verbunden, das insbesondere den
Zweck hat, die Möglichkeit zu experimentellen Arbeiten zu bieten. Es
besteht aus drei Zimmern und einem Raum für chemische Arbeiten.
2 17
Blick aus dem Botanischen Garten auf die naturwissenschaftlichen Institute.
Seit mit der Lehrkanzel für kosmische Physik auch ein allerdings
noch bescheiden eingerichtetes Institut verbunden ist, werden auch prak-
tische Übungen und Besprechungen der neueren Literatur und von Pro-
blemen, die dann für selbständige Arbeiten verwendet werden können, ab-
gehalten. Von Zeit zu Zeit wird das an das Institut angegliederte
Observatorium auf dem Donnersberge bei Teplitz besucht, das
als ideal günstig angelegtes meteorologisches Observatorium gerühmt wird.
Die Studierenden haben Gelegenheit, dort mit dem praktischen Wetter-
dienste bekannt zu werden. Der Ausblick vom Donnersberge, den schon
A. v. Humboldt bewundert hat, bietet ein interessantes, besonders morpho-
logisch abwechslungsreiches Naturbild dar. Für Studienzwecke kann dort
auch freie Unterkunft gewährt werden. Die Vorlesungen umfassen das
ganze Gebiet der kosmischen Physik, nicht wie sehr häufig nur die Meteoro-
logie, nämlich Astrophysik, Geophysik (insbesondere auch Erdbebenkunde,
Ozeanographie, Erdmagnetismus) und Meteorologie.
Das Institut für physikalische Chemie ist das einzige, spe-
ziell diesem Wissenszweige gewidmete Institut in Österreich. Aber auch
an den Universitäten des deutschen Reiches bestehen nur an verhältnis-
mässig wenigen Universitäten derartige Institute (Berlin, Leipzig, Göttingen,
Giessen, Freiburg i. B.), während an den anderen Universitäten entweder
eine Abteilung des chemischen Laboratoriums für die Zwecke der physi-
kalischen Chemie eingerichtet ist, oder aber, trotz der zunehmenden
Wichtigkeit dieses Gebietes, eine Möglichkeit zu experimentellen Arbeiten
überhaupt fehlt.
Das chemische Laboratorium hat die Aufgabe, Chemiker von
den Anfangsgründen bis zur Vollendung ihrer Studien praktisch auszu-
bilden; ausserdem erhalten Mediziner, Pharmazeuten, Mittelschullehramts-
kandidaten ihre chemische Ausbildung im Sinne der betreffenden Studien-
ordnungen, ferner Ärzte, die die Befähigung für den öffentlichen Sanitäts-
dienst anstreben. Das Institut verfügt über 130 Arbeitsplätze für Studierende
in Abteilungen für analytische und präparative Übungen und für wissen-
schaftliche Untersuchungen.
1
Chemisches Institut.
Dem Mineralogie und Petrographie Studierenden bietet Prag
infolge seiner Lage im Zentrum eines der mineralreichsten Länder Vorteile
wie wenige andere Universitätsstädte. Von hier aus lassen sich zahlreiche
berühmte Mineralfundorte, Bergwerke und Mineralquellenorte bequem be-
suchen, und ebenso können alle auf die Gesteinswelt Bezug habenden
Verhältnisse bei den zahlreichen von der Lehrkanzel veranstalteten Exkur-
sionen in der Natur studiert werden. Für die Laboratoriumsarbeit stehen
ausreichende Räumlichkeiten sowie das notwendige Instrumentarium und
gutes Vergleichsmaterial zur Verfügung. Der Lehrapparat ist nach jeder
Richtung hin modern ausgestattet.
Das gesonderte geologische Institut besitzt eine umfangreiche,
viele wertvolle Stücke enthaltende Sammlung, welche den Studierenden
zur Besichtigung jederzeit offen steht und so geordnet ist, dass dadurch
das Verständnis der Vorlesungen aus Geologie und Paläontologie wesent-
lich gefördert wird. Eine ansehnliche Fachbibliothek, lichte Räumlichkeiten,
die mit allen erforderlichen Hilfsmitteln zur Ausführung wissenschaftlicher
Arbeiten ausgestattet sind, stehen zur Verfügung. Für das Studium
der Geologie und Paläontologie bietet Prag wie wenige
andere Universitäten vorzügliche Gelegenheit. Schon die unmittelbare
Nachbarschaft des berühmten, seinesgleichen suchenden inner-böhmischen
Paläozoikums, sowie die gut aufgeschlossenen Ablagerungen der unteren
Glieder der böhmischen Kreide in der nächsten Nähe von Prag liefern
hiezu reichlichen Stoff und Anregung. Aber nochmehr ist der leicht-
erreichbare, das Innere des Landes im weiten Bogen von Osten über
Norden nach Westen umfassende deutschböhmische Landstrich dazu wie
geschaffen. Die alten böhmischen Randgebirge, das vulkanische Duppauer-
und Mittelgebirge, die Pläner- und Quadersandsteinablagerungen, die Braun-
kohlenmulden, Mineralquellenzüge u. s. w. galten von jeher mit Rechte
als eine Schule für Geologen, deren Besuch schon Goethe und auch
Alex, von Humboldt, Leopold von Buch und seitdem viele
andere hervorragende Fachmänner nicht verschmäht haben. Auch der an-
gehende Geologe wird dort reichliche Belehrung und Erfahrung sammeln
können. Bahnverbindungen nach allen Seiten hin gestatten leicht zu bewerk-
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Partie aus dem Botanischen Garten.
stelligende ein- oder mehrtägige Ausflüge, auf denen sich überall Gelegen-
heit bietet, Materialien zu sammeln.
Das botanische Institut wurde in den letzten 10 Jahren durch
Anschaffung sowohl der wichtigsten Instrumente als auch aller Apparate
zur Mikrophotographie und für Reinkulturen derartig ausgestaltet, dass alle
in das Gebiet der systematischen Botanik insbesondere aber der Krypto-
gamenkunde einschlägigen wissenschaftlichen Arbeiten ausgeführt werden
können. Bei deren Durchführung gewährt der botanische Garten,
dessen wissenschaftliche Ausgestaltung von allen Fachleuten besonders an-
erkannt wird, durch seine Glashäuser und Versuchsbeete die erforderliche
Unterstützung.
Das pflanzenphysiologische Institut ist seit 1898 in einem
stattlichen Neubau untergebracht. Das Institut besitzt eine grosse Fach-
bibliothek, in der auch die ältere Literatur reich vertreten ist, ausgezeich-
nete Mikroskope, darunter ein grosses Zeissches Ultramikroskop , einen
grossen Projektionsapparat von derselben Firma, und ist räumlich und
wissenschaftlich so ausgerüstet, dass anatomische und physiologische Ar-
beiten nach den verschiedensten Richtungen, auch nach der bakteriologi-
schen möglich sind. Besonders hervorgehoben sei, dass das Institut mit
einem Versu chsgarten und einem Gewächshause verbunden ist, wodurch
der wissenschaftliche Betrieb des Institutes in hohem Masse gefördert wird.
Das Institut darf sich rühmen, unter den österr. pflanzenphysiologischen
Instituten das erste gewesen zu sein, welches einen solchen den Bedürf-
20
Partie aus dem archäologischen Institut.
nissen der Pflanzenphysiologen entsprechenden Versuchsgarten errich-
tet hat.
Das zoologische Institut bietet den wissenschaftlich arbeitenden
Studenten viele Vorteile. Die Arbeitsplätze sind bequem, die Ausstattung
mit modernen wissenschaftlichen Hilfsmittel ist eine reichliche, und die
Literaturbeschaffung ist so organisiert, dass jeder die Werke, die er braucht,
leicht und rasch bekommen kann. Für solche, die sich nicht eingehender
mit der Zoologie beschäftigen, sondern sich nur die für Lehramtskandi-
daten der Naturgeschichte, oder die für Mediziner erforderlichen zoologi-
und allgemein biologischen Kenntnisse aneignen wollen, ist ebenfalls gut
vorgesorgt.
Das historische Studium an der deutschen Universität in Prag
leidet nicht an dem Übelstande der Kumulation allzu verschiedenartiger
historischer Fächer durch einen und denselben Dozenten, wie dies an
kleineren Universitäten vorzukommen pflegt, sondern ist durchaus arbeits-
teilig organisiert. Es bestehen für politische Geschichte im weitesten Sinne
fünf ordentliche Professuren (zwei für Geschichte des Altertums, eine für
Geschichte des Mittelalters, eine für Geschichte der Neuzeit, eine für österr.
Geschichte), wozu noch eine ordentliche Professur für historische Hilfs-
wissenschaften kommt. Das in vier Abteilungen für alte, mittlere, neue
und österr. Geschichte geteilte historische Seminar besitzt eine Bibliothek
von ca. 4000 Bänden, in welcher die wichtigsten urkundlichen und chro-
nikalischen Quellen und Hilfsmittel sowie die gebräuchlichsten Lehr- und
Handbücher der sämtlichen historischen Fächer enthalten sind. Auch
21
der Apparat für historische Hilfswissenschaften ist umfänglich; besonders
vertreten ist die Abteilung der Kaiser- und Papsturkunden des Mittel-
alters ; in neuester Zeit ist noch eine Münzsammlung hinzukommen.
Arbeiten fortgeschrittener Studierender werden unter dem Titel »Prager Stu-
dien* veröffentlicht.
Dem epigraphischen Seminar steht ein guter Bestand an
Hilfsmitteln, bes. an Büchern, Karten, Photographien u. ähnl. m. zur Ver-
fügung. Die archäologisch-epigraphischen Seminare sind eine Eigentüm-
lichkeit der deutschösterreichischen Universitäten: sie dienen der Lehre und
Forschung über die monumentalen Quellen der klassischen Altertumswissen-
schaft. Doch beansprucht die epigraphische Abteilung des Seminars eine
Sonderstellung auch in Österreich. Während an den Seminarien in Wien
und Graz vorzugsweise, beinahe ausschliesslich römische Epigraphik ge-
trieben wird, beschäftigt sich unsere Seminarabteilung mit dem Studium
der griechischen Inschriften und damit in Zusammenhang der griechischen
Geschichte und Altertümer.
Die Vorlesungen über Kunstgeschichte bezwecken das Verständnis
der Kunst und ihrer Entwicklungsgeschichte zu fördern. Es dienen dazu
die Projektionen von Lichtbildern und das ganze Material des Kunsthisto-
rischen Instituts. Die Besprechungen und Übungen des Seminars werden
im Institute, in der Gemäldesammlung des Rudolfinums, im Kunstgewerbe-
museum, Dom und Domschatz abgehalten. Die alte Lehrmittelsammlung ist
seit 1904 neu geordnet, erweitert u. zum Kunsthistorischen Institut
umgewandelt worden. Dieses besitzt ca. 10.000 Photographien und Repro-
duktionen. Alle Stile und ihre Übergangsstufen sind gut vertreten. Ausser-
dem verfügt das Institut über 400 Radierungen, Stiche und Lithographien.
Die kleine Institutsbibliothek zählt r. 600 Nummern; ihre Lücken ergänzen
die öffentlichen Bibliotheken. Für die Vorlesungen besteht eine Sammlung
von r. 4000 Diapositiven. — Die unten folgende Skizze »Prag als Kunststätte«
erweist dessen Reichtum an bedeutenden Denkmälern; nebst dem begün-
stigt die Nähe Dresdens, Wiens und kunstreicher Provinzstädte und Klöster
das kunstwissenschaftliche Studium an unserer Universität ausserordentlich.
Das Fach der Musikwissenschaft, das in Österreich ausser in Wien
nur in Prag vertreten ist, wird hier in Vorlesungen geschichtlichen, ästhe-
tischen und theoretischen Inhalts behandelt. Für Studierende, die sich ein-
gehender mit dem Gegenstand beschäftigen und selbst an der Besprechung
wissenschaftlicher Fragen teilnehmen wollen, werden Übungen abgehalten.
Zu den Vorträgen und Übungen steht ein Klavier zur Verfügung, es werden
aber auch Gesangsdemonstrationen gebracht, und gelegentlich wurde die
Einrichtung der Orgel an dem im grossen Konzertsaal des Rudolphinums
aufgestellten Instrument gezeigt. Ferner steht den Teilnehmern der Übun-
gen eine besondere Handbibliothek zu Gebote, die die in neuerer Zeit er-
schienenen Denkmäler älterer Musik, sowie die wichtigste einschlägige
Literatur enthält und es in der kurzen Zeit ihres Bestandes auf ungefähr
400 Bände gebracht hat. Vorläufig in einem Hörsaal untergebracht, wird
die Bibliothek nach den Plänen des neuen Universitätsbäues in besonderen
Institutsräumen mit anschliessendem Hörsaal aufgestellt sein. — Im Lehr-
plan der Universität ist ausser der Professur für Musikwissenschaft noch
22
ein Lektorat für Harmonielehre und Chorgesang 1 ) vorge-
sehen.
Die Lehrkanzel für Geographie ist gegenwärtig verwaist, da der
bisherige Inhaber, der bekannte Afrika-Reisende Oscar Lenz in den Ruhe-
stand tritt. Da aber begründete Hoffnung besteht, eine junge tüchtige
Kraft zu gewinnen, so ist auch an dieser Lehrkanzel ein moderner Betrieb
gewährleistet.
Die klassische Philologie wird von drei ordentlichen Pro-
fessoren in allen ihren Disziplinen vertreten. Neben den Vorlesungen,
welche dem Studenten das fertige Fachwissen darbieten und ihn zugleich
in die wissenschaftliche Forschung der Gegenwart einführen, bestehen das
lateinische und das griechische Seminar, die den Studenten
zu eigener wissenschaftlicher Forschung anleiten, indem sie ihn von klei-
neren zu grösseren und immer schwierigeren und umfangreicheren Arbeiten
führen und dadurch allmählich selbständig machen. Eine Vorbereitung
für diese Tätigkeit der Seminare stellen das lateinische und das
griechische Proseminar dar, in welche die Hörer des ersten Semes-
ters eintreten. Gleichzeitig finden hier die Hörer der germanischen und
modernen Philologie sowie die der Geschichte Gelegenheit, ihre Kennt-
nisse in den klassischen Sprachen zu erweitern. Die Seminare gehen
dem Studenten durch ausgewählte Bibliotheken an die Hand.
Das archäologische Institut umfasst eine in vier Sälen auf-
gestellte Abguss-Sammlung, die zwar nicht in der Zahl der Abgüsse, doch
in deren Auswahl einen bevorzugten Platz beanspruchen kann.
Einen hervorragenden Teil bildet die im Laufe des 18. Jahrhun-
derts entstandene, 1797 vom Grafen Erwin Nostitz erworbene Sammlung
des Hofstatuarius Josef Müller, die in ihrem grossen Teile durch Schen-
kung in das Institut gelangt ist und manches Unikum enthält. Ein be-
sonders im wissenschaftlichen Sinne modernes Gepräge wird dieser Samm-
lung durch eine ganze Reihe von plastisch ausgeführten Experimenten
gegeben, die eine Annäherung der Abgüsse an die ursprüngliche Schöpfung
durch Abnahme falscher Restaurierung wie durch Anfügung der richtigen,
oder doch richtigem und Entfernung von Copistenstatuen, und durch An-
deutung der Polychromie anstreben. Eine reiche Photographien-Sammlung
wie eine ausreichende Handbibliothek dienen sowohl den Zwecken der
Vorlesung wie der wissenschaftlichen Arbeit.
Die deutsche Sprache und Literatur ist durch zwei ordent-
liche, zwei ausserordentliche Lehrkanzeln und zwei Privatdozenten vertreten.
Das Seminar für deutsche Philologie, in schönen hellen Räumen nahe dem
Klementinum untergebracht, zerfällt in 2 Abteilungen: für ältere und für
neuere Sprache und Literatur. Die Übungen in der älteren Abteilung bewegen
sich auf den Gebieten der gotischen, althochdeutschen, altsächsischen und mittel-
hochdeutschen Sprache und Literatur ; die Übungen der neueren Abteilung er-
strecken sich bis auf die Gegenwart. Für den Abdruck der besten Arbeiten beider
Abteilungen dienen die »Prager Deutschen Studien«. Besondere Aufmerksamkeit
findet die heimische Literatur, so werden einzelne Bände der »Bibliothek
deutscher Schriftsteller aus Böhmen« im Seminar bearbeitet, wofür das
Stifter- Archiv der »Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst
*) Hierüber vergl. S. 46.
23
und Literatur« reiches Material darbietet. Liebevolle Pflege erfährt die
»Deutsche Volkskunde^, der gleichfalls ein eigenes Organ in den »Beiträgen
zur deutschböhmischen Volkskunde« und das »Volkskundliche Archiv« der-
selben Gesellschaft zur Verfügung steht. Für Anfänger werden eigene
Vorlesungen und Übungen abgehalten. Für vergleichende Literaturgeschichte
der neueren Sprachen ist ein eigener Dozent vorhanden.
Im französischen Seminar wird den Studierenden Gelegenheit
geboten, sich sowohl dem praktischen als auch dem wissenschaftlichen
Studium des Französischen hinzugeben. Das Seminar besitzt eine Bibliothek
von etwa 1800 Nummern. Die wichtigsten Zeitschriften, sowie wertvolle
Studienbehelfe, z. B. Gillierons Atlas linguistique, stehen den Studierenden
zu Gebote.
Die Studierenden der englischen Philologie haben Gelegen-
heit, neben den theoretischen Vorlesungen und Übungen auch phonetische
Kollegien zu hören und das praktische Studium der modernen Sprache
unter Leitung eines Engländers zu betreiben. Ferner steht ihnen eine Se-
minarbibliothek von mehr als 2100 Bänden zur Verfügung, welche neben
den geläufigen Handbüchern noch eine sorgfältige Auswahl wertvoller
Studienbehelfe und Texte enthält. Bei einigem Fleiss können Hörer der
englischen Philologie, welche sich dem Mittelschullehramt widmen wollen
und die Fachgruppen Englisch-Deutsch oder Englisch-Französisch wählen,
ihre Studien in acht Semestern zu Ende führen, und es bieten sich ihnen
gegenwärtig gute Aussichten auf rasche Anstellung an Realschulen, Han-
delsakademien, Gewerbeschulen, Mädchenlyzeen usw.
Für orientalische Philologie (semitische Sprachen und Litera-
turen) besteht eine ordentliche Lehrkanzel. Das von der philos. Fakultät
beantragte Seminar fehlt noch : dafür werden stark besuchte Übungen abge-
halten. Die Vorlesungen verbreiten sich über das Gesamtgebiet
der semitischen Philologie (Arabisch, Äthiopisch, Hebräisch, Phö-
nikisch, Aramäisch [Syrisch], Assyrisch) — nebenbei werden Vorlesungen
über »Hieroglyphengrammatik«, Persisch und Türkisch gehalten. Eine reich-
haltige Bibliothek, deren Grundstock eine Schenkung des f Landesschul-
inspektors Dr. Johann Gall ist, steht den -Teilnehmern der Übungen zur
Verfügung; sie umfasst über 500 Werke in ca. 600 Nummern.
Die Lehrkanzel der indischen Philologie und der Ethno-
logie verfügt über eine Handbibliothek, die die wichtigsten Studienbehelfe
für die Studierenden des Sanskrit und der indischen Philologie (Chresto-
mathien, Texte, Grammatiken, Wörterbücher, Werke über indische Literatur-
geschichte u. s. w.), sowie eine Anzahl Handbücher und Bilderwerke für
die Hörer der Vorlesungen über Ethnologie enthält.
Die Lehrkanzel für vergleichende Sprachwissenschaft be-
rücksichtigt im Rahmen ihrer Aufgabe: der vergleichenden Betrachtung
der indogermanischen Sprachen, besonders auch die slavischen Sprachen.
Für die wissenschaftliche Betrachtung, speziell der tschechischen
Sprache und Literatur, ist durch eine Dozentur, für die praktische Übung
dieser Sprache, die für den juristischen Nachwuchs bereits unerlässlich ge-
worden ist, durch ein Lektorat vorgesorgt. (4 Kurse: für Anfänger, für
Vorgeschrittenere, ein Fortbildungs- und Übungskurs mit juridischen Übungen,
24
ein philologischer Kurs für Hörer der lehramtlichen Fachgruppe deutsch-
tschechisch).
Ferner bestehen Lektorate für die praktische Erlernung der engli-
schen, der französischen und der italienischen Sprachen
(den Hörern aller Fakultäten zugänglich), für Stenographie, für Stimm-
bildung und Redekunst.
Für die Lehramtskandidaten des Turnens besteht ein eigener Turn-
lehr e r b i 1 d u n g s k u r s.
Aufforderung
zum Tanz.
Antike
Rokkokogruppe.
Rekonstruktion aus dem archäologischen Institut.
25
Die technische Hochschule.
Für den Studierenden der technischen Wissenschaften bietet Prag
eine reiche Fülle von Anregungen, die das ganze Gebiet des Ingenieur-
wesens umfassen. Der Bauingenieur findet sie in bedeutenden Brücken-
bauanstalten und Eisenkonstruktionswerkstätten und in deren hervorragenden
Leistungen sowie durch die bereits ausgeführten und im Bau befindlichen
grossen Kanal- und Tal sperrbauten Böhmens, endlich auch in vielen mo-
dernen Fabrikbauten. Dem Maschinenbauer bieten die tonangebenden Ma-
schinenfabriken mit ihrer umfassenden Tätigkeit, sowie die leicht erreich-
baren, grossen Hütten- und Bergwerksbetriebe und viele bedeutende Fa-
briken, insbesondere der Textilindustrie, Gelegenheit zur Erwerbung
praktischer Kenntnisse. Dem Chemiker wird der Besuch der bedeutendsten
chemischen Fabriken mit umfassendstem Produktionsbereich (Zucker,
Petroleum, Spiritus, Pottasche, Glas, Porzellan, chemische Grossindustrie,
Färbereien u. a.) nützlich sein. So bildet Prag wohl den bedeutendsten
technischen Mittelpunkt Österreichs und vermag auch, infolge der guten
Beziehungen zwischen Industrie und Hochschule vielen zum Ausgangs-
punkte ihres Fortkommens im Leben zu werden. Viele deutsche technische
Vereine (deutscher polytechnischer Verein in Böhmen, chemische Gesell-
schaft, Lotos, elektrotechnischer Verein, Verein deutscher Chemiker an der
technischen Hochschule, technische Abteilungen der Germania und der
Lesehalle) kennzeichnen das rege fachliche Leben.
Der Unterricht in der Mathematik ist für die verschiedenen Fach-
schulen geteilt. Für die Hörer der Bauingenieur- und Maschinenbauschule
bestehen 2 Kurse. Für die Hörer der Hochbau- und der chemisch-technischen
26
Abteilung sind die Vorlesungen entsprechend abgekürzt. Alle Vorlesungen
werden durch Repetitorien und Übungen ergänzt. Für die Hörer des
versicherungstechnischen Kurses wird in 2 Kursen über Versicherungs-
mathematik und über Wahrscheinlichkeitsrechnung gelesen.
Die Vorträge über darstellende Geometrie werden durch
umfangreiche konstruktive Übungen ergänzt. Die Sammlung dieser Lehr-
kanzel besitzt u. a. die Modellserien von Schilling und Wiener. Bei den
Vorlesungen findet ein Projektionsapparat mit Zeiss-Objektiv vielfache Ver-
wendung.
Die Vorlesungen über Mechanik gliedern sich in 3 Kurse, denen
noch eine Vorlesung über graphische Statik und eine Vorlesung über
Materialienlehre angeschlossen werden. Für die Hörer der chemischen und
der kulturtechnischen Abteilungen werden besondere enzyklopädische Vor-
lesungen über Mechanik abgehalten. Das mechanisch-technische
Laboratorium zur Untersuchung von Bau- und Konstruktionsmaterialien
enthält eine Festigkeitsprobiermaschine „System Gellner" für Zug-, Druck-,
Biegungs- und Torsionsversuche an Metallstäben, ferner Apparate zur
Messung von Formveränderungen, ein Metallmikroskop, einen Kugeldruck-
apparat zur Härtebestimmung, eine hydraulische Presse für Druckproben,
einen Akkumulator für den hydraulischen Antrieb der Festigkeitsmaschine.
Endlich sind alle zur Untersuchung von Zement und zur Herstellung der
bezüglichen Probekörper nötigen Apparate vorhanden, zur Unterstützung
der Vorträge über Materialienlehre besteht ausserdem eine entsprechende
Materialiensammlung. Die Sammlung der Lehrkanzel für Mechanik,
die aus der historischen Gerstnerschen Sammlung hervorgegangen ist, enthält
eine Reihe von Modellen einfacher und zusammengesetzter Maschinen,
Bewegungsmechanismen, Apparate zur Erläuterung mechanischer Grund-
sätze, die Apparate zum Foucauldschen Pendelversuch, eine Thomassche
Rechenmaschine, einen Amslerschen Momentenplanimeter, eine grössere An-
zahl von Wandtafeln aus den Gebieten der Kinematik und graphischen
Statik. Bemerkenswert ist noch eine Sammlung verschiedener Uhrenhemmungen,
an welche sich auch eine alte „Wasseruhr" anreiht.
Der Lehrkanzel für Geodäsie obliegen verschiedene Vorlesungen
für die verschiedenen Fachschulen. Die Elemente der niederen Geo-
däsie für Maschinen- und Hochbauer, Nivellieren, und die niedere
Geodäsie für Bauingenieur und Kulturtechniker und die Hörer des geo-
dätischen Kurses. Zu diesen letzteren wird ausser den fortlaufenden Übungen
eine 15tägige Exkursion unternommen. Die höhere Geodäsie für Bau-
ingenieure und Hörer des geodätischen Kurses, Landesvermessung. Ferner
werden die Grundzüge der sphärischen Astronomie und An-
wendungen der Geodäsie auf Kulturtechnik, sowie geodä-
tisches Rechnen vorgetragen. Endlich werden Übungen über Plan- und
Terrainzeichnen abgehalten. Die Lehrkanzel verfügt nebst historisch-
interessanten Objekten über eine Instrumentensammlung, in welcher alle für
moderne Ingenieurarbeiten nötigen Apparate vertreten sind.
Neben den grossen Vorlesungen über Physik wird für Kultur-
ingenieure eine besondere Vorlesung gehalten, ebenso neben dem grossen
Praktikum ein besonderes für Lehramtskandidaten. Das physikalische
Institut verfügt über eine reichhaltige Sammlung von Apparaten und
Maschinen. In der präzisionsmechanischen Werkstatt des Instituts werden
27
Maschinenbau-Laboratorium.
die erforderlichen Neukonstruktionen ausgeführt. Eine alle Räume des In-
stituts durchziehende Druck- und Saugleitung liefert den eventuell not-
wendigen Gebläsewind und gestattet überall Quecksilberpumpen mit Vor-
evakuierung zu verwenden. Endlich ist Dreh- und Gleichstrom zu experi-
mentellen Zwecken ausreichend zur Verfügung.
Das elektrotechnische Laboratorium, dem eine Werkstätte
für Mechanikerarbeiten angegliedert ist, enthält elektrische Maschinen, die
von einem Gasmotor angetrieben werden, der rd. 10 Ph. e. leistet, u. z.
eine opolige Wechselstrommaschine für Einphasenstrom von Ganz & Co.,
eine 2polige Nebenschlussmaschine Kappscher Type von Kfizik, eine
Schuckertsche Flachringmaschine, eine Induktormaschin« für Dreiphasenstrom
von Kolben; ferner ist aufgestellt ein Seriengleichstrommotor von Siemens
& Halske, der in einen Gleichstrom Wechselstrom-Umformer umgewandelt
wurde, ein Serienwechselstrommotor von Ganz & Co., ein 4 poliger asyn-
chroner Dreiphasenmotor mit Phasenanker von Kolben & Co., eine Neben-
schlussdynamo der allg. Elektrizitätsgesellschaft in Berlin und ein Neben-
schlussmotor. Endlich 2 Einphasentransformatoren von Ganz & Co., ein Hoch-
spannungstransformator und ein Dreiphasentransformator von Kolben & Co.,
ferner 2 Akkumulatorbatterien von Tudor & Pollak. Das Laboratorium ist
naturgemäss in rascher Erweiterung begriffen. Eine reichhaltige Sammlung
von Messinstrumenten und Apparaten für Lehrzwecke unterstützt den Unter-
richt wesentlich. Jährlich werden mehrere Exkursionen unternommen, die
ebenfalls den Hörern praktische Kenntnisse vermitteln.
28
Die Lehrkanzel für mechartischeTechnologie hat eine reich-
haltige, vortrefflich geordnete Sammlung, welche sich einerseits auf Holz-
und Metallbearbeitung, anderseits auf die Textilindustrie und andere spezielle
Industrien bezieht. Aus den vielen Objekten seien folgende Gruppen her-
vorgehoben: Schlösser, Holzhobel, Feilen, Uhrbestandteile, Typographie,
Textilfasern, Webstuhlmodelle, Prüfungsmaschinen für Garn, Gewebe und
Papier, sowie eine historische Sammlung von Maschinenmodellen.
Die Lehrkanzel für Maschinenbau I. Kurs (Maschinenele-
mente) verfügt über zahlreiche Modelle von Verschraubungen, Vernie-
tungen, Transmissionsteilen, Kurbeltriebwerken, ferner über eine Reihe von
Originalausführungen hervorragender Fabriken von Ma-
schinenteilen, insbesondere von Transmissionsteilen und Armaturen. Die
Lehrkanzeln für Maschinenlehre und Maschinenbau II. Kurs a (Wärme-
motoren) besitzen eine Reihe von historischen und modernen
Messinstrumenten, Dynamometer, Indikatoren, Tachometer und Tacho-
graphen, Bremsen, Pyrometer, Kalorimeter, Apparate zur Gasanalyse u. a.
Ferner ist eine Reihe von Steuerungsmodellen und eine Anzahl von Reglern
vorhanden, die zur Ausführung von Versuchen betriebsfähig aufgestellt
werden können, ferner eine Sammlung von Objekten des Dampfkessel-
baues, Armaturen, verschiedene Brennmaterialien u. dgl. Für Vortrags-
zwecke sind Bildersammlungen, Tafeln, Zeichnungen, sowie ein Projektions-
apparat und elektrischer Antrieb zur Vorführung von Modellen und Instru-
menten im Betriebe vorhanden. Die Lehrkanzel für Maschinenbau II. Kurs b
Chemisches Laboratorium.
29
(Hebezeuge, Pumpen, Wassermotoren) verfügt über eine historische
Sammlung, die eine Reihe bemerkenswerter Objekte enthält, ferner über
eine Anzahl von Messinstrumenten, wie Dynamometer, Wassermesser u. a.,
eine Anzahl von Modellen von Wassermotoren, Pumpen und Injektoren,
verschiedene Rollenzüge und Winden, Armaturen für Pumpen und Ge-
bläse, Teile von Wasserturbinen in Originalausführung, eine Vorrichtung
zur Abnahme von Ventilerhebungsdiagrammen bei Pumpen, eine Samm-
lung von Injektoren, endlich viele Tafeln und Zeichnungen.
Das Maschinenlaboratorium ist das erste in Osterreich er-
richtete. Es besteht aus einem Kesselhause mit einem Wasserrohrkessel,
einem kleinen stehenden Querrohrkessel, einer liegenden Ventilsdampfma-
schine, die eine Differentialpumpe und einen Doppelstromgenerator an-
treiben kann; ferner ist aufgestellt eine liegende Verbund-Dampfmaschine mit
Kolbenschiebersteuerung und Flachregler und Kondensation, die eine entspre-
chende Transmissionswelle antreibt, eine Elektradampfturbine mit Generator
und Strahlkondensator, ausserdem eine Zentralkondensationsanlage mit
Oberflanzenkondensator und Luftpumpenmaschine, ein Laufkran, eine Wor-
thington-Speisepumpe und ein Injektor, ein Sturtevant-Ventilator, eine Druck-
luftmaschine, eine kleine Zentrifugal- und eine Kapselpumpe, eine Zentri-
fugalpumpe zur Lieferung des Wassers für eine Spiralfremisturbine, die mit
Rohrleitung, Messreservoir und Messkanal ausgestattet ist und mit Hilfe
eines Drehstrom- Elektromotors und zugehöriger Transmission die genannte
Zentrifugalpumpe antreibt, endlich ein Gasmotor und ein Benzinmotor.
Alle Maschinen sind zu Versuchszwecken hergerichtet. Die Kesselanlage
ist mit permanenten Messvorrichtungen ausgerüstet.
Der Lehrkanzel für Baumechanik und Eisenhochbau steht
eine Sammlung von Vorlagen, Modellen und Messapparaten zur Prüfung von
Baukonstruktionen zur Verfügung. Für die praktische Ausbildung dienen
Besichtigungen der Prager Eisenbauwerkstätten und in Ausführung be-
griffener Eisenbetonbauten.
Die Lehre über Hochbau ist in 3 aus Vorträgen und Konstruk-
tionsübungen bestehende Kurse zerlegt. Eine Sammlung von Modellen
bietet den Hörern Gelegenheit, ihre Studien durch Benützung dieser Ein-
richtung zu erweitern. Besonderer Wert wird auf die Besichtigung von im
Bau begriffenen Häusern gelegt, durch die den Studierenden ein Einblick
in die praktische Baubetätigung gewährt werden soll.
Die Vorträge über Brückenbau zerfallen in drei Kurse: In den
konstruktiven Übungen haben die Hörer Gelegenheit, vollständige Projekte
zu entwerfen, während eine jährlich einmal stattfindende grosse Studien-
reise und mehrere kleinere Exkursionen dazu bestimmt sind, den Hörern
verschiedene im Bau begriffene Objekte zu zeigen. Die Lehrkanzel besitzt
eine sehr reichhaltige Sammlung von interessanten Brückenmodellen.
Die Lehrkanzel für Strassen-, Eisenbahn- und Tunnelbau
umfasst ein umfangreiches Gebiet: Erdbau, Strassenbau, Eisenbahn-Unterbau
und Eisenbahn-Oberbau, Strassenbahnen, elektrische Bahnen, Tunnelbau,
Trassiren. In der Absicht, die Hörer auch für den Verwaltungsdienst vorzu-
bereiten, wurden in den letzten Jahren Vorlesungen über »Bauleitung und
Vorarbeiten für Strassen und Eisenbahnen', ferner über »Eisenbahnbetrieb«
und über ^ Bahnerhaltung und Signalwesen für Bauingenieure« eingeführt:
überdies ist der Versuch mit einem »technisch-wirtschaftlichen Seminar«
30
gemacht worden, der nach den bisherigen, erst ein halbes Jahr andauernden
Übungen gute Erfolge verspricht. Die Lehrmittelsammlung besitzt einige
historisch interessante Modelle.
Die Architektur und die für sie vorbereitenden Disziplinen werden
im Rahmen eines vierjährigen Studiums gepflegt. Neben den theoretischen
und geschichtlichen Vorlesungen wird Freihand-, Akt- und Figuren- und
architektonisches Zeichnen getrieben. Ausserdem erhalten die Studierenden
gründlichen Unterricht im Modellieren und eine praktische Anleitung zum
Aquarellmalen. Der unvergleichliche künstlerische Anschauungsunterricht,
den Prag dem jungen Architekten bietet, findet in einem späteren Abschnitt
besondere Würdigung.
Büchereien.
Für das Fachstudium stehen in erster Linie die Büchereien der
verschiedenen Institute und Seminare der Universität und tech-
nischen Hochschule zur Verfügung, über die vorstehend im Zusammen-
hang mit den einzelnen Disziplinen berichtet ist. Dazu tritt die im Kle-
mentinum befindliche kaiserliche (Universitäts-)Bibliothek, die
eine wohl ausgestattete Sammlung ist und unausgesetzt nach allen Richtungen
sachverständig vergrössert wird. Sie führt sich auf eine in das 17. Jahr-
hundert zurückreichende Gründung der Jesuiten zurück; als kaiserliche und
Universitätsbibliothek besteht sie seit Maria Theresia. Das Alter dieser
wissenschaftlichen Sammlung erklärt deren starken Besitz an Handschriften,
•es sind beiläufig 20.000 in 3921 Handschriftenbänden, sowie an Inkunabeln,
deren Zahl, wenn bloss die Zeit bis zum Jahre 1500 in Betracht gezogen
wird, 1530 beträgt. Der Bücherbestand umfasst gegenwärtig 330.000 Bände;
•dazu kommen 29.129 Kupferstiche. Im grossen Lesesaal steht eine aus-
gedehnte Handbibliothek zur Verfügung, in einem besonderen Zeitschriften-
zimmer liegen die letzten Nummern der wissenschaftlichen periodischen
Organe und der allgemeinen Revuen auf. Jeder Studierende der Univer-
sität kann auf Grund seiner Legitimation, ohne besondere Sicherstellung,
aus der Bibliothek Bücher entlehnen. — Ausserdem sind öffentlich
zugänglich: die Bibliothek des Museums des Königreiches Böhmen, die
viel interessante Bohemica enthält, das kunstgewerbliche Museum der
Prager Handels- und Gewerbekammer, das die einschlägige Literatur und
ein bequem eingerichtetes Lesezimmer bietet. Der Landeskulturrat hat eine
öffentliche landwirtschaftliche Bibliothek. Wertvolles Material, das sich in
den Büchereien der Klöster und der alten Adelsfamilien Prags findet, ist
'ohne grosse Mühe zugänglich. Auch die Bücherei des Vereins für Ge-
schichte der Deutschen in Böhmen mit 40.000 Bänden kann bedingungs-
weise herangezogen werden. — Eine wesentliche Förderung der Bücher-
benutzung für die Studierenden bieten die vorwiegend wissenschaftlichen
IBüchereien der beiden grossen studentischen Zentralvereine;
die Lese- und Redehalle deutscher Studenten verfügt über 60.000 Bände und
500 ausliegende Zeitungen und Zeitschriften, die Germania, Lese- und Rede-
verein deutscher Hochschüler, besitzt 18.000 Bände und 500 ausliegende
Zeitungen. Über andere Vereinsbüchereien s. unten.
31
Bedingungen für den Hochschulbesuch.
Die Aufnahme und die Studien der ordentlichen Hörer an den öster-
reichischen Hochschulen, sind gesetzlich und zwar gleichmässig für alle
gleichen Anstalten der *im Reichsrate vertretenen Kronländer geregelt.
Als ordentlicher Hörer kann nur zugelassen werden, wer an einem
öffentlichen Gymnasium Österreichs die Reifeprüfung abgelegt hat. Für
Ausländer hat in der Regel der Dekan zu entscheiden, ob das an einem
ausländischen Gymnasium erworbene Maturitätszeugnis mit einem inländi-
schen als gleichwertig zu erachten ist, während Inländer mit ausländischem
Reifezeugnis die Anerkennung desselben seitens des Ministeriums für Kultus
und Unterricht erstreben müssen. Bereits an irgendeiner österreichischen
oder reichsdeutschen Universität inskribiert gewesene Hörer bedürfen nur
des Abgangszeugnisses, der sogenannten Exmatrikel. Die Aufnahme ordent-
licher Hörer erfolgt für das Wintersemester vom 1. bis 8. Oktober, für
das Sommersemester vom Donnerstag nach Ostern durch 8 Tage. Dies
ist die normale und ordentliche Inskriptionsfrist; doch kann noch durch
8 Tage nach den angegebenen Fristen über mündliches Ersuchen der
Dekan und späterhin auf schriftliches Einschreiten der akademische Senat
die Bewilligung zur nachträglichen Inskription geben. (Kosten: Immatri-
kulation 10 K, Bibliotheksbeitrag für Inländer 1 K, für Ausländer 2 K,
Kollegiengeld pro Stunde wöchentlich und Semester 2 K 10 h).
An gleichen Fakultäten verschiedener inländischer Universitäten ge-
hörte Semester werden bei Einhaltung der sonstigen durch die Studien-
ordnung bedingten Erfordernisse ohne weiteres in die ordentliche Studien-
dauer eingerechnet. Beim Übertritte an andere Fakultäten werden gewöhn-
lich ein (bei der juridischen) oder zwei Semester (bei der philosophischen
Fakultät) eingerechnet. Staatsprüfungen können an verschiedenen
Universitäten abgelegt werden; die strengen Prüfungen zur Er-
langung des Doktorgrades (Rigorosen) sind sämtlich an derselben
Universität abzulegen. Ausnahmsweise kann das Unterrichtsministerium die
Fortsetzung an einer anderen Universität bewilligen. Das an österreichischen
Universitäten erworbene Doktorat wird überall nostrifiziert.
Über die Aufnahme von ausserordentlichen Hörern, welche
in dem Kalenderjahre, in dem sie inskribieren, mindestens 18 Jahre alt
sein müssen, entscheidet der Dekan; der Hörer muss nachweisen, dass
seine Vorbildung ihn zum Besuche von Vorlesungen befähigt.
Als ordentliche Hörerinnen können nur Inländerinnen mit
Gymnasialmatura, als ausserordentliche Hörerinnen ebenfalls nur
Inländerinnen, die die Maturitätsprüfung an einer Lehrerinnenbildungsanstalt
oder an einem Mädchenlyzeum, dessen Reifezeugnis vom Ministerium als
gleichwertig mit denen der Lehrerinnenbildungsanstalten anerkannt ist, auf-
genommen werden. Frauen, die einzelne Vorlesungen zu hören
beabsichtigen, können über schriftliches Ansuchen (1 K Stempel) vom Pro-
fessorenkollegium als Hospitantinnen zugelassen werden. Einschreibgebühr
2 K, Bibl.-Beitrag 1 K, Kollegiengeld für jede zu hörende Stunde pro
Woche und Semester 2 K 10 h.
Von bedeutendem praktischen Werte sind die sogenannten Univer-
sitäts- oder Dekanatsprüfungen, die gegenwärtig in deutscher,
englischer, französischer und tschechischer Sprache abgehalten werden. Sie
32
dienen zum Nachweise sprachlicher Kenntnisse. Das Dekanat der philoso-
phischen Fakultät gibt jederzeit Auskunft über die prüfenden Dozenten,
die ihrerseits über den bei der Prüfung verlangten Stoff Mitteilung
machen.
Vor Beginn des Semesters erscheint jeweilig das Vorlesungs-
verzeichnis für das nächste Semester, vor dem Wintersemester überdies
noch der Personalstand des Lehrkörpers, der Kommissionen, der Bibliothek
und der Beamtenschaft der Universität.
Die gleiche Frist, wie für die Inskription gilt auch für die Ge-
suche um die Befreiung von der Zahlung des Kollegien-
geldes. Zu belegen sind diese Ansuchen mit dem Mittellosigkeitszeug-
nisse und den Studienverwendungsausweisen. Von Hörern der ersten Se-
mester wird gefordert, dass sie das Abiturientenexamen mit Auszeichnung be-
standen haben. Doch können Juristen auch bei nicht mit Auszeichnung
abgelegter Matura die halbe Kolleofiensfeldbefreiunsr erlansren.
Das studentische Vereinswesen.
»Farbe tragen heisst Farbe bekennen«. Dieses Wort des Rektors des
Studienjahres 1903 1904 Hofr. Prof. Dr. Rabl kennzeichnet am besten die
Bedeutung der Prager studentischen Korporationen. Den zahlreichen Grün-
den, auf die in anderen deutschen Universitätsstädten das traditionelle Far-
benwesen seinen Fortbestand stützt, gesellt sich in Prag als bedeutsamster
die nationale Mission der studentischen Organisationen. Aus diesem Grunde
bedeutet der Beitritt zu einer Prager Kuleur ■ — die älteste begeht im näch-
sten Sommersemester ihr 50. Stiftungsfest — in höherem Masse als
anderwärts das Bekennen nationaler Gesinnung und muss als beson-
ders wünschenswert bezeichnet werden. Jedenfalls muss es aber allen
Hörern der beiden Prager deutschen Hochschulen im Interesse der
Gesamtheit und im eigenen Interesse auf das Wärmste empfohlen werden,
sich einem der beiden grossen studentischen Zentralvereine anzuschliessen,
in denen die Mitglieder, die gleichfalls Band tragen, geselligen Anschluss,
Anregung zu geistiger Betätigung und Gelegenheit zu nationaler Arbeit finden.
Von diesen beiden Zentral vereinen ist der ältere, die »Lese- und
Redehalle der deutschen Studenten in Prag« im Jahre 1848
durch den Austritt der Deutschen aus dem gemeinsamen (utraquistischen)
Studentenausschuss entstanden. Er wurde auf deutschfreiheitlicher Grund-
lage mit dem Zwecke gegründet, die Studentenschaft in nationalem Geiste zu
erziehen und zur Betätigung wissenschaftlicher und künstlerischer Interessen
anzuregen, das studentische Wesen zu fördern und die allgemein studen-
tischen Interessen zu vertreten. Zunächst bestand die Halle nur als Lese-
verein. Erst die spätere freiheitliche Gesetzgebung ermöglichte es, den
ursprünglichen Plan auszuführen und dem Leseverein auch eine Redehalle
anzugliedern. Seit dem Jahre 1904 besitzt die Halle ein eigenes Haus
IL, Krakauergasse 14, das Bibliotheksräume, einen Fechtsaal, Lesezimmer
u. s. w. umfasst. Der Erreichung des Vereinszweckes dienen in erster
Linie eine Bücherei, ') eine Zeitschriftensammlung und zahlreiche wissen-
*) vergl. darüber S. 31.
3 33
Lese- und Redehalle.
schaftliche Fachabteilungen. Der Mitgliedstand be-
trägt durchschnittlich an 500. Das Mitgliedsband ist
schwarz-rot-gold. Bis zum Jahre 1892 war die Halle
der einzige studentische Zentralverein. In diesem Jahre
trat der auf deutsch-völkischem (deutsch-arischem)
Standpunkt stehende Teil der Prager deutschen
Studentenschaft aus und gründete einen neuen Zen-
tralverein. Seit dieser Zeit ist die Halle der Ver-
einigungspunkt der deutschfreisinnigen Studentenschaft.
Angeschlossen sind ihr gegenwärtig von Prager Kor-
(|ff/ porationen: Markomannia, Moldavia, Neustädter Kol-
legentag, Ostmark, Saxonia; mit Herzynia (Prag) be-
steht ein Freundschaftsverhältnis.
Die am 13. Mai 1892 gegründete »Ger man ia«,
Lese- und Redeverein der deutschen Hoch-
schüler inPrag ist der Zentral verein der deutsch -
völkischen Studentenschaft und hat gleichfalls den
Zweck, die Studentenschaft zu nationaler Arbeit, zur
Pflege studentischen Wesens, zur Vertretung allgemein
studentischer Interessen und zur Förderung wissen-
schaftlicher und künstlerischer Betätigung zusammenzufassen. Auch hier
dienen diesem Zwecke in erster Linie eine Bücherei, eine Zeitschriften-
sammlung und zahlreiche wissenschaftliche Fachabteilungen. Die Vereins-
räume der Germania (Bücherei, Lesezimmer etc. etc.) befinden sich im Hause
der Mensa Academica, II., Krakauergasse 16. Der Mitgliedstand beträgt
durchschnittlich an 700. Das Band ist schwarz-rot mit goldener Perkussion.
Angeschlossen sind der Germania: Albia, Arminia, Carolina, Constantia, Eger-
länder Landtag, Franken, Ghibellinia, Saxonia, Teutonia, Thessalia und die
völkische Finkenschaft.
Der Förderung wissenschaftlicher und künstlerischer Interessen inner-
halb der Studentenschaft dienen neben den beiden Zentralvereinen auch
mehrere wissenschaftliche Vereine. Eine Reihe von Organisa-
tionen setzt es sich zur Aufgabe, die materiellen Interessen der
Studentenschaft durch Unterstützungen verschiedenster Art zu fördern. In
erster Linie ist hier die Wirksamkeit der Gesellschaft zur Errich-
tung und Erhaltung eines deutschen Studentenheims und
einer Mensa Academica zu nennen, über deren Veranstaltungen im
nächsten Abschnitt berichtet wird. Spezifisch studentische Turn- und Sport-
vereine gibt es gegenwärtig in Prag nicht, doch wirken die Prager Stu-
denten sehr rege in allgemeinen Turn- und Sportvereinen ') mit.
Von den auf deutsch-nationaler Grundlage stehenden studentischen
Organisationen seien ausser den genannten die nachstehenden hervorge-
hoben. Wir führen schlagwortartig neben dem Namen 1. das vertretene
studentische Prinzip 2 ) oder den Zweck, 2. das politische Bekenntnis,')
3. die Verbandszugehörigkeit A ) an.
') vergl. hierüber S. 54 ff.
2 ) konservativ = Bestimmungsmensur mit Schläger.
3 ) d. fr. = deutschfreisinnig — d. v. = deutschvölkisch (arisch, antisemitisch).
*) B. d. Ostm. = Burschenschaft der Ostmark (L. D. C.)
34
Albia, Burschenschaft, konservativ, d. v., B. d. Ostm.
Alemannia, Burschenschaft, konservativ, d. fr.
Akad. Ortsgruppen des Bundes der Deutschen i. B. (»Süd«, »Ost«,
»Nord«, »West«, »Carolina«), nat. Schutzarbeit, d. v.
Akad. Ortsgruppe des deutsch. Böhmerwaldbund., nat. Schutzarb., d. fr.
Akad. Ortsgruppe des deutschen Böhmerwaldbundes (Stifter), nat. Schutz-
arbeit, d. v.
Akad. Ortsgruppe des »Salzburger Hochschulvereines«, antiklerikal, d. v.
Akad. Ortsgruppe der »Freien Schule«, antiklerikal.
Akad. Ortsgruppe der »Fr. deutsch. Schule«, antiklerikal-deutschn., d. v.
Arminia, Burschenschaft, konservativ, d. v., B. d. Ostm.
Au stria, Korps, konservativ, deutschfreiheitlich.
Barden, Univ.-Sängersch., freischlag., d. v., Rudelsb. Kartellv. (Sängersch.).
Carolina, akad. Burschenschaft, konservativ, d. v., B. d. Ostm.
Constantia, Burschenschaft, konservativ, d. v., B. d. Ostm.
Deutschak. Orschester, musikwissenschaftlich.
Egerländer Landtag, freischlagend, d. v., Kyffhäuserverband.
Exkursionsfond deutscher Hörer der Lehrkanzel für Elektrotechnik,
fachl. Unterstützungs-Verein.
Exkursionsfond (Maschinenbau), ebenso.
Exkursionsfond (Hochbau), ebenso.
Exkursionsfond (Architektur), ebenso.
Exkursionsfond (techn. Chemie), ebenso.
Ferdinande a, Verbindung, nicht schlagend, deutsch-katholisch.
Franken, Hochschülerverband, freischlagend, d. v., Kyffhäuserverband.
Freitischstiftung an der k. k. deutschen techn. Hochschule, Unter-
stützungsverein.
»Gaudeamus«, freischlagend, d. fr.
Ghibellinia, Burschenschaft, konservativ, d. v., B. d. Ostm.
Hercynia, Landsmannschaft, konservativ, d. nat.
Historikerverein, wissensch. Verein, d. v.
Markomannia, Verbindung, konservativ, d. fr.
Neustädter Kollegentag, Verbindung, konservativ, d. fr.
Ostmark, Burschenschaft, konservativ, d. fr.
Pilsner Landtag, Verbindung (Moldavia), freischlagend, d. fr.
Saxobavaria, nicht schlagend, deutsch-kath.
Saxonia (Freya), Verbindung, freischlagend, d. v., Weidhofener Verband.
Saxonia, Burschenschaft, konservativ, d. fr.
S u e v i a, Korps, konservativ.
Teutonia, Burschenschaft, konservativ, d. v., B. d. Ostm.
Thessalia, Burschenschaft, konservativ, d. v., B. d. Ostm.
Unterstützungsverein dürftig, deutsch. Hörer d. Philosophie, Unterst.
Unterstützungsverein dürftiger deutscher Rechtshörer, ebenso.
Unterstützungsverein deutscher israelitischer Univ.-Hörer, ebenso.
Unterstützungsverein für mittellose isr. Techniker.
Vandalia, Verbindung, nicht schlagend, deutsch-kath.
Verband der Studierenden an der techn. Hochschule, fachl. Organisation.
Verein deutscher Chemiker, wissensch. Verein, d. fr.
Absti nenten schaft »Fr eil and«, d. v.
Wagnerverein, ak., musikwissensch.
3* 35
Stipendien, Freiwohnungen, Freitische.
Dem materiell ungünstig gestellten Studierenden bieten die beiden
deutschen Hochschulen in Prag manch kräftige Hilfe und Unterstützung.
Die mensa academica erblickt ihre vorzüglichste Aufgabe darin,
dem deutschen Studenten in Prag die Möglichkeit zu bieten, im Kreise von
seinesgleichen zu wohnen und seine Mahlzeiten einnehmen zu können.
Dürftige Hörer der deutschen Hochschulen Prags erhalten im deutschen
Studentenheime, Mariengasse 34, Freiwohnungen, besser Gestellte
Wohnungen zu massigen Preisen. Das Studentenheim ist eine grossherzige
Stiftung der böhmischen Sparkasse und enthält ausser grossen Versammlungs-,
Vortrags- und Festräumen 100 Zimmer. Neben dem grossen Studenten-
heim verfügt die mensa noch über ein zweites Gebäude in der Krakauer-
o-asse 16, in dem ebenfalls ein Freitisch eingerichtet ist. Seitens der mensa,
sowie der an jeder Fakultät bestehenden Freitisch-Stiftungen und Vereine
gelangen an arme Hörer Speisemarken zur Verteilung.
Toie Dr. Krombholzsche Krankenstiftung gewährt jedem
mittellosen erkrankten Studierenden freie ärztliche Behandlung, Medikamente
und freie Aufnahme ins allgemeine Krankenhaus.
Studierende, denen die Erlangung eines Stipendiums oft deshalb nicht
möglich ist, weil sie noch keine wissenschaftliche Verwendung an der
Universität nachzuweisen im Stande sind, hauptsächlich solche, die im ersten
Semester ihrer Studien stehen, können über ihr Ansuchen vom Rektor aus
einer anlässig des 60 jährigen Regierungsjubiläums ins Leben gerufenen
Stiftung eine monatliche Unterstützung erhalten.
Alljährlich zu Beginn des Wintersemesters gelangen die Unter-
stützungen zur Ausschreibung, welche wackere deutsche Städte und
Bezirksausschüsse für die deutschen Studenten Prags gewidmet haben ;
im o-anzen stehen 15 Stipendien zwischen zwei- und sechs Hundert Kronen
auswiesen Mitteln zur Verfügung. Die jährlich ausgezahlte Summe aus
diesen Stiftungen erreicht 5000 K.
Ziemlich gross ist der Anteil der Hochschulen an den seitens der
Statthalterei vergebenen sog. freiverleihbaren Stipendien. Auch die Univer-
Deutsches Studentenheim.
Marien gasse 34.
36
sität schreibt zahlreiche und hohe Stiftungen aus, deren Verleihungsrecht
teils dem akademischen Senate, teils den einzelnen Fakultäten zusteht. Es
seien hier erwähnt die Hofrat Ullrichstiftung mit 20 Stipendien zu 340 K,
die Perutz und Beerstiftungen für Juristen mit 4 Stipendien zu 500 K, die
Erdmannschen Stiftungen mit 10 Stipendien zu 600 K u. a. m. Wie kräftig
die Unterstützung der Studierenden mit Stiftungen ist, mag daraus erhellen,
dass im Studienjahre 1907/08 die bedeutende Summe von 88 652 Kronen
zur Verteilung gelangte. Absolvierte Rechtshörer, die sich nach
Ablegung der Staatsprüfungen dem Staatsdienste in Böhmen widmen, kön-
nen über Ansuchen an den Rektor für die erste Dienstzeit ohne Adjutum
Unterstützungen erhalten. — Für bedürftige Doktoranden der juri-
stischen und medizinischen Fakultät besteht die Dr. Justsche Promotions-
stiftung, die jährlich 5 Stipendien in Höhe der Promotionskosten verleiht
Wohnung und Mittagbrot
Wohnungen finden die Studierenden ausser im bereits genannten
Studentenheime bei zahlreichen deutschen Familien, die sich mit dem Ver-
mieten von Zimmern befassen; freie Zimmer werden durch Anschlagzettel
am Tor des Hauses angezeigt. Der Preis der Studentenwohnungen ist
schwankend, jedoch nicht hoch, da es üblich ist, zu zweit zu wohnen. Ein
Zimmer stellt sich mit Bedienung auf 24—32 K. Viele Familien nehmen
Studierende in volle Verpflegung, dann schwankt der Preis der Wohnung
samt Verpflegung zwischen 50 und 100 K. Die Wohnungen können zu
jedem 1. und 15. des Monats nach vorhergegangener vierzehntägiger Kündi-
gung verlassen werden. Der Mietzins wird in der Regel auf einen Monat
im voraus gezahlt. Der Mittagtisch in den Gasthäusern sowie bei Familien
kostet 70 h bis 1 K, für bescheidenere Ansprüche finden sich auch Mittag-
tische für 56 bis 60 Heller. 100 Kronen monatlich gelten als wohl aus-
kömmlicher Wechsel. Auskünfte über freie Wohnungen geben die Aus-
kunftstelle des deutschen Ortsrats Prag, Graben 26, die studentischen Zen-
tralvereine, die Hausmeister der Hochschulgebäude, namentlich des Caroli-
nums und Clementinums, und manche Wohnungskanzleien, z. B. Weinberge,
Haiekgasse 1. Beliebte Studentengegenden sind: In der obern Neustadt
(Sokol-, Tabor-, Halek-, Tyrsch- und Wenzig- Gasse), Weinberge (Havlicek-,
Halek-, Karls-, Wawra- Gasse).
Mensa academica.
Krakauergasse 16.
Vereinsräume der Germania.
37
Das deutsche Haus.
Das deutsche Leben in Prag.
Das deutsche Geistesleben.
Unsere anspruchslose Schilderung des geistigen Lebens der Deutschen
Prags sucht nicht in die Tiefe zu schürfen und es wird auch nicht der
Versuch gemacht, die historische Entwicklung und die inneren Zusammen-
hänge der geistigen Kultur der Deutschen darzustellen. Zu einer Arbeit
dieser Art fehlt es an allen Vorarbeiten. Wir wissen sehr wenig darüber,
wie die verschiedenen Mensch heits- und Kulturprobleme, die gerade in
dieser Stadt im Laufe der Jahrhunderte die Gemüter erregt, und die halb
Europa zu freund- oder feindlicher Stellungnahme zwangen, auf das Prager
Deutschtum eingewirkt haben. Wer vermöchte auf dem Räume von ein
paar Seiten das Gegenspiel all der nationalen, politischen und sozialen
Verhältnisse zu erfassen, wer vermöchte hier die Einwirkung der religiösen
und philosophischen Bewegungen auf den deutschen Teil der Bewohner
Prags darzulegen, und wer könnte es versuchen, hier die Stellung des
Deutschtums zum Slaventum, wenn auch nur in groben Umrissen zu
charakterisieren? Unsere Darstellung muss auf eine Aufzählung der hervor-
ragendsten Anstalten, Korporationen und Vereine hinauslaufen, die mit dem
geistigen Leben der Deutschen in Verbindung stehen, und in denen dieses
Leben seine Zusammenfassung findet.
Den natürlichen Mittelpunkt der gesammten geistigen Kultur des
Landes bilden zwar die beiden Hochschulen, Universität und Technik. Der
Student, der nach Prag kommt, muss aber nicht fürchten, etwa vollständig
vereinsamt dazustehen, wenn er den akademischen Boden verlässt. Wohin
er seine Blicke wenden mag, wird er frisches, kampfesfrohes und zukunft-
freudiges Streben sehen, und wozu auch immer ihn Beruf und Neigung
38
Entwurf zum Neubau des Deutschen Hauses von Josef Zasche.
zieht, er wird rasch einen Kreis gleichgesinnter Menschen, an die er sich
anschliessen kann, und aller Art Organisationen zur Pflege der geistigen
und materiellen Kultur vorfinden. Er wird nicht ohne Verwunderung er-
kennen, was zähe deutsche Ausdauer sich in Jahrhunderte langer Arbeit
an Schutz und Bollwerken mitten im Herzen eines slavischen, von Deutschen-
hass durchglühten Gebietes geschaffen hat.
Wenn auch die tschechischen Machthaber der Stadt alles Erdenkliche
anwenden, um die deutschen Schulen zu schädigen und zu unter-
drücken, so hat die alt-erbeingesessene deutsche Bevölkerung der Stadt
doch noch Lebenskraft genug, um für die heranwachsende Jugend die
notwendigen Schulen zu erhalten. In Prag selbst bestehen vier öffentliche
vollständige Volksschulen, in den Vororten Karolinental, Smichow, Weinberge,
Zizkow je eine solche Schule. Doch genügen diese öffentlichen Anstalten,
denen von Seite der tschechischen Gemeindeverwaltungen keinerlei Gunst
und Förderung zu Teil wird, durchaus nicht für den deutschen Nachwuchs.
Neben vielen privaten und konfessionellen Schulen in Prag erhält deshalb
der Prager Deutsche Schulerhaltungsverein in den Vorstädten drei Volks-
schulen und eine Mädchenbürgerschule; dieser Verein hat seit 1896 die
Aufgabe des „Deutschen Schulvereins" für das Gebiet von Prag übernommen,
und führt sie mit grossen Opfern erfolgreich durch. Ja, das Prager
Deutschtum ist kräftig genug, um auch an die Zentrale des „Deutschen
Schulvereins" in Wien, der das Deutschtum ganz Österreichs betreut,
jährlich noch namhafte Summen abzuführen. Die Prager deutschen Schulen
werden von tausenden Kindern besucht. Der Deutsche Schulerhaltungs-
verein und zahlreiche andere Vereinigungen, darunter besonders der
Deutsche Schulpfennigverein, sorgen auch für die Erhaltung deutscher
Kindergärten. Seit fünfundzwanzig Jahren besteht ein Verein deutscher
Ferienkolonien, der in Deutschböhmen in den schönsten Gegenden eigene
39
Neues deutsches Theater.
Heime für seine Schützlinge unterhält. Bisher hat dieser Verein allein an
Verpflegskosten für seine Kinder weit über eine halbe Million Kronen
durch freiwillige Spenden aufgebracht. Im Jahre 1901 hat sich vom
Deutschen Pädagogischen Vereine der Deutsche Verein zur Pflege von
Jugendspielen abgelöst. An deutschen Mittelschulen und ähnlichen Anstalten
besitzt Prag: sechs Gymnasien, vier Realschulen, eine Lehrer- und eine
Lehrerinnenbildungsanstalt, das von einem Vereine erhaltene vorzüglich ge-
leitete Deutsche Mädchen-Lyceum mit einem Mädchengymnasium; ferner
eine seit mehr als einem halben Jahrhundert bestehende Deutsche Handels-
akademie mit einem einjährigen Kurse für Mittelschulabsolventen.
Das Prager Konservatorium für Musik, die Malerakademie
und die Kunstgewerbeschule sind utraquistisch, d. h. die Lehrkräfte
sind verpflichtet, die Schüler in ihrer Muttersprache, also auch deutsch, zu
unterrichten. Dasselbe Prinzip wird bei verschiedenen Fachschulen, wie
der Brauereischule usw. gehandhabt. Eine Gruppe jüngerer deutscher Künstler,
die sich in der Kunstwelt eines guten Namens erfreuen, hat nach dem
Muster ähnlicher Unternehmungen in München, Wien, Dresden usw.
Lehrateliers und Werkstätten für Kunst und Kunstgewerbe
ins Leben gerufen.
Das Königliche Deutsche Landestheater in Prag gehört in
künstlerischer Beziehung zu den ersten deutschen Bühnen. Demselben steht
neben dem 1783 eröffneten Hause des Landestheaters auch das grössere
moderne Neue deutsche Theater zur Verfügung, das der verdienst-
volle Deutsche Theaterverein geschaffen und 1888 eröffnet hat. Gegen-
wärtig werden besonders auf dem Gebiet der Oper allgemein anerkannte
Leistungen geboten. Doch auch das klassische und moderne Drama, das
Lustspiel und alle kleineren Formen der dramatischen Kunst werden am
Prager deutschen Theater gepflegt, und zyklische Aufführungen, wie der
sämtlichen Dramen von Schiller, Goethe, Grillparzer, Hebbel usw. haben
gewiss viel dazu beigetragen, das Publikum für die edlere dramatische
40
Das Königliche
deutsche
Landestheater.
Erbaut in den Jahren
1781—1783.
Kunst zu erziehen. Die Maifestspiele, die in Prag seit zehn Jahren veran-
staltet werden, finden jetzt an vielen deutschen Theatern Nachahmung. Die
Bildungswerte, die das Theater bieten kann, werden aber auch den materiell
minder gut gestellten Schichten zugänglich gemacht, was sich in den zahl-
reichen volkstümlichen- und Arbeitervorstellungen kund gibt. Das Deutsche
Volkstheater in der Prager Vorstadt Kgl. Weinberge ist eine Sommer-
bühne, die neben leichter Ware gelegentlich auch Gediegeneres bietet. Das
Deutsche Vereinstheater ist eine Dilettantenbühne, die zur Verbrei-
tung der Lust und Liebe an der dramatischen Kunst viel getan hat.
Das deutsche Zeitungswesen Prags nimmt eine ansehnliche
Stellung ein. Die Zeitungen, vor allem die beiden Tagesblätter „Bohemia"
und „Prager Tagblatt", sind nicht blosse Nachrichtenblätter, sondern sehen
immer auf eine gute literarische Haltung, und die deutschen Journalisten
Prags halten an den lang erprobten Traditionen fest. Politisch stehen die
beiden Blätter im deutschfreiheitlichen Lager, ebenso das „Montagsblatt aus
Böhmen". Die deutsch radikale Partei hat ein Wochenblatt („Deutscher
Volksbote"), die deutschagrarische Partei eine zweimal wöchentlich er-
scheinende Zeitung („Deutsches Agrarblatt")- Sehr alten Ursprunges ist das
Regierungsblatt „Prager Zeitung" mit „Prager Abendblatt". Eine Prager
Spezialität ist ein täglich erscheinendes tschechisches Blatt in deutscher
Sprache, die „Union".
Zahlreiche deutsche Dichter, Schriftsteller und Publizisten leben
in Prag und viel mehr noch haben hier ihre Entwicklung durchgemacht
und bilden, in alle deutschen Lande zerstreut, trotz aller Unterschiede ihrer
Bestrebungen, eine literarische Gemeinde, zu deren Zusammenfassung die
Monatsschrift Deutsche Arbeit der Gesellschaft zur Förderung deutscher
Wissenschaft, Literatur und Kunst in Böhmen viel beigetragen hat. Die
Zentrale des deutschen literarischen Lebens der Stadt ist der
deutsche Schriftsteller- und Künstlerverein Concordia. Durch ihre Vortrags-
zyklen hat diese Künstlervereinigung im Laufe der letzten Dezennien dem
Prager Publikum die persönliche Bekanntschaft mit den hervorragendsten
Vertretern der deutschen Literatur, Kunst und Wissenschaft vermittelt, und
41
sie hat auf diese Weise das deutsche Prag in innigen Kontakt mit dem
modernen Leben Deutschlands gebracht. Im Jahre 1904 wurde in Prag
der Dürerbund in Österreich gegründet, der dieselben Tendenzen vertritt
wie sein Stammverein in Deutschland. In Prag betätigt sich der Dürer-
bund hauptsächlich auf musikalischem Gebiet, doch hat er im Laufe der
Jahre verschiedene wertvolle Publikationen herausgegeben und literarische
Vorträge veranstaltet. Sein hauptsächlichstes Betätigungsgebiet, die Einfluss-
nahme auf den Schutz der natürlichen Landschaft, auf die Erhaltung der
guten alten Baudenkmäler und auf gutes modernes Bauen ist in Prag aller-
dings sehr eingeschränkt, da die Deutschen in dieser Stadt keinerlei Ein-
fluss auf die öffentlichen Angelegenheiten haben. Desto mehr wirkt der
Bund belehrend und aufklärend in den deutschen Gebieten Böhmens und
ganz Österreichs. Seine nächste grössere Aktion ist die Organisation der
modernen Heimatschutzbewegung in Deutsch -Österreich und die Errichtung
eines Naturschutzparkes in Deutsch-Böhmen. Es gibt endlich noch ver-
schiedene kleinere Vereinigungen, die dazu beitragen, das Interesse an der
Beschäftigung mit literarischen Dingen in Prag zu wecken und zu pflegen.
Unter den wissenschaftlichen Vereinigungen steht die
deutschböhmische Akademie voran. Sie besteht seit 1891 als Gesellschaft
zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen und
verwendet nach Akademieart ihre namhaften Mittel in umfassender Weise
dazu, das gesamte deutsche Geistesleben zu befruchten. Seit 1902 veran-
stalten die deutschen Hochschulen in Prag auch vielbesuchte deutsche
volkstümliche Hochschulkurse. In das Jahr 1862 fällt die Gründung des
Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen. Nicht viel jünger ist
der Deutsche polytechnische Verein in Böhmen. Eine umfassende Tätigkeit
entwickelt der Deutsche Verein zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse
in Prag. Er gibt eine Vortragsammlung heraus und hat bisher gegen 15 000
Volksbüchereien mit mehr als 60000 Büchern unterstützt. Ebenso wie die
genannten Vereine hat auch der Naturwissenschaftlich-medizinische Verein
Lotos seine eigenen Vereinsmitteilungen und veranstaltet populärwissen-
schaftliche Vorlesungen, die allgemein zugänglich sind. Wissenschaftliche
Vereinigungen ähnlicher Art gibt es in Prag noch gar manche, doch würde
es zu weit führen, sie alle namentlich anzuführen.
Auch an politischen, nationalen und wirtschaftlichen
Vereinen fehlt es natürlich nicht. Prag ist der Sitz der Parteileitungen
und der politischen Vereinigungen der grossen Parteien des Landes. Ganz
besonderes Interesse für die Studentenschaft haben die deutschen Schutz-
vereine, von denen einzelne hier ihre Bundesleitungen besitzen. Die
mächtigste Organisation dieser Art ist der Bund der Deutschen in Böhmen,
mit sechs Hundert Ortsgruppen und weit über sechzig Tausend Mitgliedern.
Er entfaltet eine weitausgedehnte Tätigkeit auf nationalem Gebiete durch
Förderung geistiger und wirtschaftlicher Interessen aller Kreise und Stände
des deutschen Volkes in Böhmen. Der Bund steht auf völkischer, d. h.
antisemitischer Grundlage. Freiheitlich, d. h. nicht antisemitisch, sind die
übrigen deutschen Schutzvereine, die in Prag zahlreiche Ortsgruppen haben,
darunter vor allem der Deutsche Schulverein und der Deutsche Böhmerwald-
bund neben zahlreichen landsmannschaftlichen Schutzvereinen. Im Jahre
1893, als die systematischen Verfolgungen alles Deutschen in Prag mit
erneuter Macht einsetzten, wurde zur gemeinsamen Abwehr der Deutsche
42
Verein für städtische Angelegenheiten gegründet. Jahrelang hielt ihn die
leidige Strassentafelaffäre in Atem. Er hat aber auch positive Arbeit ge-
leistet. So hat er die Prager deutsche Armenpflege vorzüglich organisiert
und eine Krankenkasse für die Dienstboten seiner Mitglieder errichtet. Er
hat neuestens gemeinschaftlich mit dem Landesverbände für Fremdenverkehr
in Deutschböhmen im deutschen Hause eine Auskunftstelle errichtet, die
nicht nur den Fremden, sondern auch den Prager Deutschen zugute
kommen wird. Eine wichtige nationale Organisation ist der Deutsche Hand-
werkerverein, der ebenso wie der städtische Verein vieles leisten muss, was
sonst in das Wirkungsgebiet der Gemeindeverwaltung fällt; so die Er-
haltung einer gewerblichen Fortbildungsschule, einer deutschen Herberge usw.
Eine Neugründung ist der Deutsche Verein für Lehrlingsfürsorge in Prag.
Auch die wirtschaftliche Organisation aller anderen Standesgruppen ist voll-
ständig auf nationaler Grundlage aufgebaut. Ihre Vereinigung bildet der
Prager Ortsrat des deutschen Volksrates für Böhmen. Das deutsche Wirt-
schaftsleben Prags verfügt auch über seine eigenen Geldinstitute. Vor
allem die Zentralbank deutscher Sparkassen. Ein mächtiges Geldinstitut ist
die Böhmische Sparkassa. Sie verwendet satzungsgemäss einen beträcht-
lichen Teil ihres grossen jährlichen Reingewinns für humanitäre Zwecke
in Prag, woran auch das Deutschtum in angemessener Weise teilnimmt.
Eigene Zweige der sozialen Fürsorge pflegen die Zentralstelle für deutsche
Waisenpflege und Jugendfürsorge in Böhmen, die Deutsche Landeskommission
für Kinderschutz und Jugendfürsorge in Böhmen, der Deutsche Landes-
hilfsverein für Lungenkranke in Böhmen und der Prager Volkswohnungs-
verein. Auch die zahlreichen Prager deutschen Frauenvereine arbeiten viel-
fach auf dem Gebiete der Wohlfahrtspflege. Seiner notleidenden Lands-
leute nimmt sich der Hilfsverein deutscher Reichsangehöriger in Prag an.
Deutsche Unterhaltungs- und Geselligkeitsvereine
gibt es in Prag eine ganze Reihe. Zunächst das Deutsche Kasino, das den
Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens des Deutschtums der Stadt bildet
und Besitzerin des Deutschen Hauses am Graben ist. Prag ist auch die
„Allmutter" der Schlaraffia, des der heiteren Kunst und der Wohl-
tätigkeit gewidmeten Vereines, der sich von hier aus die ganze Welt
erobert hat. Viele andere Unterhaltlingsvereine wären noch zu nennen,
von denen jeder einen bestimmten Kreis der deutschen Bevölkerung um-
fasst. In der Wintersaison veranstalten alle diese Vereine und zahlreiche
andere selbständige Komitees Bälle, Kränzchen u. s. w.; Frühjahr und
Sommer gehören dann den Gartenfesten, die in verschiedener Gestalt all-
jährlich wiederkehren.
44
Blick aus dem Lustschloss Belvedere auf die Burg.
Das musikalische Prag.
Wie in der bildenden Kunst, so ist auch in der Musik Prag eine Stätte
deutscher Kultur. Vom deutschen kirchlichen und Minnegesang des Mittelalters,
bis herauf zur dramatischen, symphonischen und Kammermusik unserer Tage,
die ja unter deutscher Führung stehen, hat Prag stets einen lebhaften Widerhall
geboten. Die Zeit Rudolfs II. bedeutet auch für die Musik in Prag eine be-
sondere Blüte. Niederländer und Deutsche werden herangezogen, in der
Prager Druckerei des Nigrin(i) erscheinen deutsche Lieder von Regnart u.a.
Im 18. Jahrhundert haben hier berühmte deutsche Instrumentenmacher ihren
Sitz, der Orgelbauer Beer, die Lauten- und Geigenmacher Edlinger und
Eberl. Gottfried S t ö 1 z e 1 schreibt seine deutschen Opern für die Prager Bühne,
1723 findet die denkwürdige Aufführung der Festoper Costanza e Fortezza
von dem Hofkapellmeister Fux, einem gebürtigen Steirer, statt, zu der
die Komponisten aus deutschen und wälschen Landen zusammenströmen,
zum Teil sogar im Orchester mitwirken. Habermann aus Königswart
schreibt hier seine geistlichen Opern und sonstige kirchliche Musik. Weiteren
Kreisen bekannt sind die Beziehungen Mozarts zu Prag, das sich der
Uraufführungen von Don Giovanni und La clemenza di Tito rühmen darf.
Das 19. Jahrhundert findet Karl Maria von Weber als Opern-
kapellmeister in Prag. Wagners symphonisches Jugendwerk erlebt hier
seine Aufführung. Die einheimischen deutschen Meister Friedrich Dionys
45
Weber, Kittl (beide durch viele Jahre Direktoren des Konservatoriums),
Proksch (Begründer einer berühmten, noch heute bestehenden Klavier-
schule), bewährte Lehrer der verschiedenen Instrumente am Konservatorium
(vor allem der einheimische Geigenvirtuose Moritz Mildner, der ganze
Generationen von namhaften Geigern herangebildet hat) bilden ebensoviele
Ruhmesblätter im Kranze deutschböhmischer Kunst. Moscheies, Hans-
lick, Porges, Rückauf u.a. waren gebürtige Prager. Auch die Blüte
der tschechischen Musik in der ersten Hälfte des 18. und der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts ist ein Zeugnis für die Befruchtung dieses
slawischen Zweigs durch den steten und engen Verkehr mit deutscher
Tonkunst. In einer Zeit, die mit Vorliebe den Blick zur geschichtlichen
Forschung rückwärts wendet, muss daher Prag einen besonders günstigen
Boden für die wissenschaftliche Beschäftigung mit musikalischen Fragen
darbieten. Wie die deutsche Bevölkerung Böhmens und daher auch Prags
aus Angehörigen von nord- uud süddeutschen Stämmen gemischt ist, so
ist sie dadurch auch vorzüglich in den Stand gesetzt, dem musikalischen
Schaffen nördlicher und südlicher Provenienz eine liebevolle Würdigung
zuteil werden zu lassen. Einer der bedeutendsten Musikhistoriker des 19.
Jahrhunderts (A. W. Ambro s) hat noch in Prag die drei Bände seiner Musik-
geschichte gearbeitet, und durch ihn war dann auch das Fach der Musik-
geschichte (bis zu seiner Übersiedlung nach Wien) vorübergehend an der
Prager Universität vertreten. Neben dem nunmehr ständig eingerichteten
musikwissenschaftlichen Betrieb (s. S. 22) wird an den deutschen Hoch-
schulen Prags auch die praktische Musik gepflegt. So ist der gegenwärtige Lektor
für Harmonielehre und Chorgesang, der den Titel Universitätsmusikdirektor
führt, zugleich Chormeister der Universitätssängerschaft „Barden".
Dieser Verein gibt selbständige Veranstaltungen, Konzerte, Liedertafeln u. s. f.
und wirkt bei den akademischen Feierlichkeiten mit. Er ist Mitglied des grossen
deutschen Sängerbundes in Böhmen, und sein Chormeister ist Bundesobmann.
Dieser Bund steht wieder mit den reichsdeutschen Bünden in enger Fühlung.
Für die Mächtigkeit des deutschen Sängerbundes in Böhmen möge die Angabe
sprechen, dass der Bund in 10 Gauverbänden 225 Vereine mit 64 14 Sängern um-
fasst, in welcher Zahl aber noch nicht alle deutschböhmischen Gesangvereine in-
begriffen sind. Unter den akademischen Vereinen befindet sich ausserdem
ein „Prager deutschakademisches Orchester", welches einen
grossen Streichkörper und einen Teil der Blasinstrumente aus akademischen
Bürgern stellt und schon öffentliche Aufführungen mit Gelingen veran-
staltet hat. Die Deutschen Prags pflegen mit viel Liebe die Hausmusik,
und für den deutschen Studenten ist es nicht schwer, Anschluss an
ein Quartett zu finden.
Hier wäre auch zu erwähnen, dass die schon genannte Gesell-
schaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und
Literatur in Böhmen auch für das deutsche Musikleben in Prag und
Böhmen von Bedeutung ist. Sie unterstützt nicht nur schaffende Ton-
künstler, sei es durch unmittelbare Zuwendungen oder durch Subven-
tionierung von Aufführungen ihrer Werke, sondern fördert auch die Ziele
der Musikwissenschaft, indem für derartige Arbeiten Reisestipendien, Druck-
kostenbeiträge u. dgl. gewährt werden, was wiederholt Absolventen der
musikwissenschaftlichen Studien unserer Universität zugute gekommen ist.
46
Diesen Bestrebungen dient auch das bereits genannte Organ der Gesell-
schaft „Deutsche Arbeit".
Das Studium dieses Wissenszweiges an der Universität, das, wie wir
gesehen haben, schon an der Hochschule auch praktisch-musikalische An-
regungen erfährt, wird ergänzend gefördert durch die in der Landeshaupt-
stadt gebotene Gelegenheit, gute klassische und moderne
Musik zu hören, allenfalls sich praktisch in der Behandlung der In-
strumente oder in der Kompositionslehre weiter auszubilden. Die deutsche
Landesbühne pflegt Oper und Singspiel mit tüchtigen Kräften, die
häufig von hier aus ihren Weg an die grossen Hofbühnen finden. Das
Orchester des Landestheaters wird ausserdem in philharmonischen
Konzerten verwendet, die von der Theaterleitung im Theater selbst ver-
anstaltet werden. Hie und da finden auch ausserordentliche oder Gast-
symphoniekonzerte statt (Orchester der deutschen Musikervereinigung und
auswärtige). Die Pflege des Oratoriums liegt in den Händen des deutschen
Singvereines mit seinem stattlichen gemischten Chor. Auch einige von
den deutschen Männergesangvereinen haben einen Damenchor. Für
Aufführungen aus dem Bereiche der Kammermusik ist der deutsche
Kammermusikverein von ausschlaggebender Bedeutung. Er bietet
gegen einen massigen Mitgliedsbeitrag den Genuss von jährlich acht
Konzerten, deren Programme abwechselnd von den bedeutendsten Quartett-
vereinigungen Europas bestritten werden. Ausserdem finden Virtuosen-
konzerte statt, die meist zweisprachig angekündigt werden. Dies gilt
auch von den Konzerten des Konservatoriums, in welchen das Zög-
lingsorchester unter Leitung des Anstaltsdirektors symphonische Programme
durchführt. An dieser nunmehr bald 100 Jahre alten Musikschule wird,
wie schon erwähnt, zweisprachiger Unterricht in allen Orchesterinstrumenten,
sowie in Gesang und Klavier erteilt, dessen Fortschritte auch in einer
Reihe von öffentlichen Schülerabenden und Schlussproduktionen vorgeführt
werden. Endlich ist Prag auch der Sitz einer staatlichen Prüfungs-
kommission für das Lehramt der Musik an Mittelschulen, die
über diesen nächsten Zweck hinaus für den Befähigungsnachweis zum
Privatmusikunterricht von Bedeutung ist.
47
Palais Czernin von Francesco Coratti.
Prag als Kunststätte.
Gotik, Renaissance und alle Phasen des Barocks haben Alt-Prag ge-
schaffen und zwar so harmonisch, dass es uns wie eine willkürliche
Schöpfung erscheint. Die romanische Kunst hat nur wenige Reste
hinterlassen: drei einander gleiche Rundkapellen (in der Postgasse, am
Wyschehrad und in der Stephansgasse) und die Georgskirche am Hrad-
schin, eine dreischiffige Basilika aus dem XII. Jahrhundert mit Wand-
gemälden derselben Stilepoche.
Am Ende des XIII. Jahrhunderts war die Gotik mit der Agnes-
kirche in Prag eingedrungen: romanische Kapitale in dem einschiffigen
Langhaus sind das letzte Leben der älteren Kunst in einem neuen Stil.
Frankreich und Deutschland haben ihn grandios entwickelt, und seinem
Wachstum verdanken wir den Veitsdom am Hradschin, die Stiftung
Karl IV., eine wunderbare Schöpfung deutscher und französischer Kunst.
Aus dem französischen Kapellenkranze schiesst von weitspannenden Strebe-
bögen getragen der Chor Peter Parlers empor und führt durch seine
reichen, hohen und weiten Fenster alles Licht in das Schiff zu wunder-
samem Kontrast mit dem Düster, das hinter den mächtigen Säulenbündeln
aus dem Kapellenkranze in den Chorumgang tritt. Dreissig Jahre arbeitete
Peter Parier an dem Chor und schuf unterdessen noch die merkwür-
dige Kirche am Karlshof, deren achteckigen Bau er mit einem kühnen Stern-
gewölbe überspannte, die Karlsbrücke und den Altstädter Brückenturm. —
Die Hallenbauten der Heinrichskirche undderÄgidienkirche, das Emaus-Kloster
und seine Kirche, der Kreuzgang der Jakobskirche, die Kirche bei Mariaschnee
u. m. a. sind Schöpfungen derselben Zeit. Ein reichgegliedertes Portal
und die hohe reiche Schauseite mit den prachtvollen Masswerkflammen und
den beiden Türmen machen die Teynkirche zu einer der bedeutendsten
Schöpfungen der gotischen Architektur in Österreich. Von den übrigen
religiösen Bauten dieser Zeit sei die originelle zweischiffige Altneusynagoge
mit ihrer seltsamen Ausstattung hervorgehoben.
48
Von den Profanbauten aus der zweiten Hälfte des
XIV. Jahr h un der ts erhielten sich ausser dem genannten Brückenturm
und der Karlsbrücke nur der an die kraftvolle Schönheit der Arbeiten
Parlers reichende Erker am Karolinum und die zierliche Erkerkapelle am
Rathaus; in der Nähe Prags die Burg Karlstein, deren Restaurierung leider
misslungen ist.
Bravouröse Leistungen der Spätgotik sind die Bauten des Königs
Wladislaw. Der 1502 vollendete Huldigungssaal auf der Burg ist der be-
deutendste Saalbau dieser Zeit in Süddeutschland und Österreich ; sein reich-
verschlungenes Netzgewölbe und die grossen breiten Fenster sind typisch
für das Ende der Gotik. Das letzte kirchliche Lied des Stils singt das
Wladislawsche Oratorium im Dom; auf knorrigen vielverzweigten Ästen
ruht sein Gewölbe, reich verschlungenes Geranke umwuchert den Balkon.
Solche wulstige Zier finden wir auch am Pulverturm, einer Nachahmung
des Altstädter Brückenturms, dessen kraftvolle Schönheit er nicht erreicht
hat. Mehr Eigenart und Stimmung haben die köstlichen Kleinseiten er
Brückentürme. Mit gotischen Zierrippen und Fenstern hat man noch lange
im XVI. Jahrhundert Renaissancewerke geschmückt, so die Hof- und Kriegs-
kanzlei und die Landtagsstube auf der Burg.
Die Renaissance schenkte Prag das 1538 — 1552 erbaute Lust-
schloss Belvedere, den schönsten italienischen Bau nördlich der Alpen.
Die heitere Pracht seiner Arkaden ist ohnegleichen. Aber sein pla-
stischer Schmuck wird noch übertroffen durch die Stuckdekorationen in
dem kuriosen Schloss Stern, dessen sechsstrahliger Bau nach dem launigen
Einfall des damaligen Statthalters Erzherzog Ferdinand errichtet wurde.
Rudolf II. (1576 — 1612) baute das Ballhaus (im Kaisergarten); seine Sgraf-
fitogemälde sind leider sehr verwaschen. Von der kleinen Schlosstiege
Altstädter Ring mit Teynkirche.
49
erhebt sich burgartig das Pal. Schwarzenberg viergeschossig über einem
mächtigen Unterbau; seine Giebelformen kehren in vielen Variationen auf
zahlreichen Bauten in der Stadt wieder, so am ehemaligen Pal. Slawata
unter der grossen Schlosstiege, auf dem Turm am Wenzelsplatz u. a. v. a.
Gotische Nachklänge in der Renaissance geben Fenster und Giebel an der Süd-
seite des Rathauses und die Fenster des Hauses Nr. 5 am Grünmarkt. Köstliche
Arkaden haben sich erhalten im sgraffitoreichen Teynhof, im Hof des Hauses
Nr. 45 in der Langengasse, im Hause Nr. 1 am Petersplatz, wuchtiger im Hause
Nr. 15 Melantrichgasse. Andere Reste — das W-Portal der Georgskirche
aus dem Anfang des Jahrhunderts und das schöne Bärentor im Ledergäss-
chen. Am Ende des Jahrhunderts bauten die Jesuiten die Salvatorkirche
über gotischem Grundriss im übrigen nach italienischem Vorbild.
Der italienische Barock und italienische Architekten herrschen
über die Prager Baukunst im XVII. Jahrhundert. Die Igna-
ziuskirche am Karlsplatz leitet ihre Werke ein; ihre zusammengedrückten
Seitenschiffe ermöglichen eine enggeschlossene Wirkung nach aussen. Ihre
Dekorationsmotive wiederholen sich am Waldsteinpalais, einer Schöpfung
vom Anfang des dreissigjährigen Krieges. Seine lang entwickelte Front
trägt eine trotz aller Schwere hohe Eleganz, vergleicht man Profan-Bauten
wie das Burgtor v. 1614. Über den Toren, in den Korridoren und in den
im alten Zustand erhaltenen Sälen und Zimmern zeigt sich der »Beschlag-«
und »Ohrwaschelstil« der Zeit. Eine Sala terrena von riesigen Dimen-
sionen öffnet sich mit mächtigen Arkaden gegen den Garten des Palastes;
selten sind Fürstenmacht und -glänz durch einen Architekten so grandios zum
Ausdruck gebracht worden. Ein anderes Zeugnis für die grossartige Bau-
tätigkeit des Adels während des Krieges gibt das ehemalige Palais Michna,
das jetzige Zeughaus, am Aujezd. Der Baumeister von S. Maria della
Vittoria (auf der Kleinseite) hat sich eng an das römische Vorbild gehalten.
Ein bedeutenderes Schaustück bietet die Prunkseite des Klementinums gegen
die Kreuzherrengasse; auch der Bibliothekssaal gehört zu den schönsten
Leistungen von der Art. Stiller wirken das gegenüberliegende Kloster und die
kuppelgekrönte Kirche der Kreuzherren. Die Gliederung der Fassade durch
einfache Pfeiler auf rustiziertem Untergeschoss an dem Kloster zu St. Gallus
(Rittergasse) und am ehemaligen Paulanerkloster, der sog. alten Münze
(Altstädter Ring), kehrt bei Bürgerhäusern wieder (z. B. am Graben Nr. 33).
Von den Palästen aus dem Ende des Jahrhunderts seien nur die architek-
tonisch bedeutsamsten genannt, das Palais Czernin und das Palais Kolowrat.
Die Wucht des ersteren beruht nicht nur auf seinen ans Ungeheuerliche
gehenden Dimensionen; auf den Diamantquadern seines Erdgeschosses
stehen kolossale korinthische Säulen eng nebeneinander und tragen mit
befratztem Kapital das wuchtige Gebälk. Den vornehmsten Gegensatz bilden
die anmutigen eleganten Proportionen des Palais Kolowrat am Obstmarkt;
seine feinen Ornamente (Fruchtgehänge, Bandschleifen, Putten u. s. w.) kehren
an den meisten gleichzeitigen Bauten wieder (z. B. Vorbau der Salvatorkirche).
Im XVIII. Jahrhundert füllen geniale deutsche Architekten die
Stadt mit Kirchen, Palästen und Bürgerhäusern. Es ist unmöglich, hier
eine Übersicht über die ungezählten prächtigen barocken Bauten zu geben.
Nirgends lässt sich die Entwicklung des barocken Bürgerhauses und seines
Ornaments so leicht verfolgen wie in Prag, vom einfachen Typ des frühen
50
zum reichgeschmückten des späten Stils und seinem Abstieg zum Biedermeier-
haus. Undurchbrochen stehen ihre Reihen in den stillen Gassen der Klein-
seite. Der zu eng gezogene Raum nötigt, für die erste Hälfte des Jahr-
hunderts nur die bedeutendsten Stücke der Palast- und Kirchenarchitektur
hervorzuheben. Zu den glänzendsten Bauten vom Anfang des Jahrhunderts
übh. gehört das Palais Clam-Gallas in der Husgasse 20, in dem heute
einige Institute der deutschen Universität und der Technik untergebracht
sind. Fischer von Erlach gliederte die lange Front durch drei Risa-
lite und zwei prachtvolle Tore in den Flügeln ; ihre Atlanten haben präch-
tige Genossen in den Mohren des Palais Morzin (Spornerg.) und den Adlern des
Palais Thun-Hohenstein (ebd.). ChristophDientzenhofer und sein Sohn
Kilian Ignaz bauten die Niklaskirche auf der Kleinseite; ihre kurven-
reiche Front weist auf die geschwungenen Facaden Borrominis in Rom; in
wundersamem Kontrast stehen die mächtige, hohe Kuppel und der schlanke
rokokomässige Turm. An S. Niklas erinnert die Gallikirche in der Galli-
gasse. Eine liebenswürdigere Schöpfung ist die Josefskirche auf der Klein-
seite, das erste selbständige Werk des jüngeren Dientzenhofers. Ruhiger
erscheint seine Ursulinerinnenkirche am Hradschin durch ihre glatten Pfeiler
und geringeren Kontraste. Über die Kirchen St. Johann am Felsen und
St. Karl-Borromäus geht sein Schaffen zu St. Nikolaus in der Altstadt; sie ist wie
die vorhergehenden ein Zentral-
bau; auf konvexen Pfeilern ruht
das mächtige Kuppelgewölbe; die
Facade mit dem reichen Wechsel
von Säulen und Pfeilern, Rund-
und Bogenfenstern, dem breiten
Kuppeltambour und den Flanken-
türmen war für eine andere
Umgebung als heute dort steht
berechnet. Eine interessante Mo-
dernisierung gab K. J.Dientzenhofer
der ehem. gotischen Kirche zu
St. Thomas auf der Kleinseite.
Am reichsten erscheint seine Phan-
tasie in den Profanwerken,
der liebreizenden Villa Amerika in
der Karlshof ergasse, dem Palais
Kinsky am Altst. Ring und dem Pa-
lais Piccolomini am Graben. Villa
Amerika noch mit der köstlichen
Ornamentik des späten Louis XIV. ;
am Palais Kinsky ausgebildete
Rokokodekorationen; in Gliede-
rung und Ornament am vornehm-
sten das Palais Sylva-Taroucca,
vielleicht das schönste Werk des
beginnenden Rokoko in Oster-
reich; seine jonischen Pfeiler im
Hauptgeschoss tragen das fries-
artige zweite, VOr das rUStizierte Altstädter Brückenturm von Peter Parier.
4*
51
Lustschloss Behedere von Paolo della Stella.
Erdgeschoss treten vier toskanische Säulenpaare als Balkonträger und
Torflanken; in spielendem Gegensatz stehen die Dachgiebel zu den
Fensterbekrönungen ; das Innere zeigt uns das schönste Stiegenhaus Prags.
Eine annähernd vornehme Schöpfung, das Palais Kaunitz in der Brücken-
gasse, führt zum Stile Louis XVI. ; in den rokokomässigen Bau sind bereits
Zöpfe und Medaillons, Ornamente des Zopfstils, gedrungen. Nüchterner
ist das erzbischöfl. Palais am Hradschin aus den 60er Jahren des Jahr-
hunderts; klassizistischer der gleichzeitige Burgbau, der sich mit der Wieder-
holung eines Motivs über die ganze lange Front hin begnügt; ebenso die
Facade des j. Bezirksgerichtes für die Altstadt gegen die Zeltnergssse und den
Obstmarkt. Vornehmer sind die Palais im Stil Louis XVI. — Haus Nr. 3
und Nr. 5 in der Hibernergasse — die letzten bedeutenden Bauten des
Adels in Prag! Völlig ausgebildet ist der Stil am Palliardihaus (Klein-
seitener Ring) und am deutschen Landestheater; die Motive vom deutschen
Kasino kehren in etlichen Häusern der Stadt wieder, so Haus Nr. 16 am
Wenzelsplatz.
Das Empire hat uns jene kolossale Kopie nach der alten Münze
in Berlin, den dermaligen Sitz der Finanzlandesdirektion, die Piaristenkirche,
viele schöne Bürgerhäuser, das jetzige ethnograph. Museum im Kinsky-
garten und Bauten von der Art wie Platteis hinterlassen.
Durch das Zurückgehen auf die Antike hat der Neuklassizismus (Em-
pire) den -historischen Stil« ins XIX. Jahrhundert geführt, der
52
Palais Piccolotr.ini von Kilian Ignatz Dientzenhofer
diese Periode zur ödesten und ärmsten in der ganzen Architekturgeschichte
gedrückt hat. Die Romantik beschenkte uns mit der »Gotik« des Rathaus-
neubaues, des Statthalterschlosses im Baumgarten u. a. m. Gedankenarmut
und Gefühlsmangel nahmen der Renaissance und dem Barock Formen,
unberührt von ihrem Geiste, und schufen diese trostlosen Vorstadtbauten
oder schändeten alte Stadtteile, wo ihnen bedeutende Kunstschöpfungen
verganger Zeiten weichen mussten.
Aber im neuen Jahrhundert hat die Erlösung auch hier begonnen.
Die Bauten von J. Zasche werden die neuen Aufgaben der Prager Archi-
tektur in eine neue Bahn bringen. In den vornehmen Proportionen der
Geschosse und ihrer Öffnungen, in der edlen Gestaltung der kraftvollen
Krönung und in der schlichten und doch bedeutsamen Zierung liegt die
wunderbare Wirkung seiner Werke. In den letzthin vollendeten Palästen
des Wiener Bank-Vereins und der Eisenindustrie-Gesellschaft sowie in den
bald erstehenden Neubauten des deutschen Hauses und unserer Univer-
sität hat Zasche Monumentalbauwerke geschaffen, die der deutschen Kunst
in Prag und in der Geschichte der Architektur die Bedeutung auch im
XX. Jahrhundert sichern, die sie in den vergangenen gehabt hat.
53
Der Prager Sport.
Prag hat die meisten Sportarten früher aufgenommen als ungleich
grössere Städten, z. B. Wien und Berlin. Das erste grosse Lawn-Tennis
Turnier wurde in Prag abgehalten, der erste Fussball in Österreich in
Prag gespielt: das gleiche gilt von Radpolo und Eishockey. Dadurch
hat Prag stets einen gewissen Vorsprung in den verschiedenen Sport-
zweigen gehabt. Prag hat die günstigsten, bequemsten und wenigst Geld
erfordernden Bedingungen für den Betrieb aller Sportzweige. Es gibt
keine Stadt von dieser Einwohnerzahl und Grösse, in der man vom
Mittelpunkte in zehn Minuten zu den Fussballplätzen, Tennisplätzen, zum
Ruder- und Segelwasser gelangt. Dies ist ein Hauptgrund dafür, dass fast
jeder Prager einen Sport betreibt, woran sich die gesellschaftlich höchst-
stehenden Klassen ebenso beteiligen wie der bürgerliche Mittelstand. Jeder
findet den seinen Wünschen entsprechenden sportlichen Gesellschaftskreis;
der Sportbetrieb ist in Prag mit ungleich geringerem Aufwände an Zeit
und Geld verknüpft als in anderen grossen und in vielen kleineren
Städten Österreichs und Deutschlands.
Was die einzelnen Sportzweige betrifft, so ist Fussball in Prag
sehr stark verbreitet. Jeden Sonntag und auch oft in der Woche werden
internationale und örtliche Wettspiele sowie Übungsspiele abgehalten. Der
„Deutsche Fussball-Klub (D. F. C.) ist weit über die Grenzen Österreichs
hinaus als eine der besten kontinentalen Mannschaften bekannt, die Jahr
aus Jahr ein Wettspiele mit reichsdeutschen, englischen, holländischen,
skandinavischen Mannschaften abhält. Unter sachverständiger Leitung werden
die Spieler herangebildet; jeder Fussballbeflissene kommt in die Lage,
in eine seinen Fähigkeiten entsprechende Mannschaft eingereiht zu werden.
Der D. F. C. unternimmt auch jährlich mehrere Reisen, sodass seine Mit-
glieder abgesehen vom Sport Gelegenheit haben, ihren Gesichtskreis durch
diese Reisen zu erweitern. Weiters wird Fussball betrieben von den Ver-
einen: Deutsche Sport Brüder; D. B. C. Sturm; Deutsche Spielvereinigung;
Deutscher Sport-Klub Prag-VII.
Im Lawn-Tennis beherrschten die Prager Spieler und Spielerinnen
jahrelang die Turnierplätze in Deutschland, Österreich, Ungarn und hatten
auch schöne Erfolge in England, an der Riviera und in Frankreich. Es
wird wenig Städte Deutschlands geben, von deren Turnieren die Prager
Spieler nicht Siege heimgetragen haben, wie auch die Prager Spieler
in dem siegreichen Länderwettkampf Österreich-Deutschland den grössten
Teil der Mannschaft stellten. Die gesellschaftlich sehr angesehenen Ver-
einigungen „Lawn-Tennis Klub, Prag" (Zeughausgarten), „Lawn-Tennis
Cercle" (Primatoreninsel), „Bubentscher Lawn-Tennis Gesellschaft" etc. er-
möglichen auf modern angelegten Plätzen einen streng sportlichen Betrieb,
und das Spielen mit den guten Prager Spielern ermöglicht es den Ehr-
geizigen, auf Turnieren erfolgreich mitzutun.
Das Fechten wird in Prag teils studentisch, teils sportlich geübt.
Die studentische Waffe ist der Korbschläger und der 1 leichte, schwach
gekrümmte österreichische Säbel ohne Handdeckung. Diese Waffen bevor-
zugen die studentischen Korporationen, bei denen mangels eines Universi-
täts-Fechtmeisters das Fechten durch die Fechtwarte gelehrt wird. Sport-
liches Fechten wird auf italienische Art von verschiedenen italienischen
54
Palais der Prager Eisenindustriegesellschaft von Zasche.
Meistern gelehrt. Als fechterische Korporationen führen wir den „Herren-
Fechtklub Prag" an, dem viele Offiziere angehören, und den „Deutschen
Prager Fechtklub"; beide betreiben italienisches Stoss- und Säbelfechten.
Im Wassersport steht Prag unseres Wissens einzig da. Die
Moldau ist in Prag und oberhalb Prag, wo der Rudersport am meisten
betrieben wird, sehr breit, hat eine geringe Strömung und einen geringen
Dampf schiff verkehr, ist also ein Ruderwasser, wie man es selten findet.
Das Bootshaus der „Regatta", eines der ältesten Rudervereine in Österreich,
ist mit der Strassenbahn in 10 Minuten zu erreichen. Der Ruderklub
„Regatta", nach englischen Begriffen ein „Gentleman Amateur Club", pflegt
das Wettrudern und das Tourenrudern eifrig; er besucht regelmässig die
Regatten in Breslau und Dresden. Ein reiches Bootmaterial ermöglicht
jedem, nach seinem Geschmack ein Boot zu wählen. Von Prag aus sind
55
lohnende Rudertouren auf dem Oberlauf der Moldau und auf ihren Neben-
flüssen zu unternehmen. Viel bekannter aber und von englischen und
reichsdeutschen Ruderern bevorzugt ist die Fahrt von Prag abwärts, durch
Nordböhmen über Dresden und Magdeburg nach Berlin oder Hamburg.
Die Lieblingstour der englischen Ruderer ist per Boot nach Linz zu fahren,
dann das Boot per Bahn nach Budweis bringen zu lassen und von hier
über Prag den oben erwähnten Weg zu nehmen. Ebenso wie für das
Rudern eignet sich die Moldau wegen ihrer Breite und wegen der geringen
Strömung für den Segelsport und für Motorbootsport; freilich
nur in Booten bis zu mittlerer Grösse.
Für das Schwimmen gibt es in Prag merkwürdiger Weise keinen
eigenen Verein. Trotzdem wird aber sehr viel auf den einzelnen Schwimm-
schulen innerhalb und oberhalb der Stadt geschwommen, wozu sich die
Moldau, wie schon bemerkt, durch ihre geringe Strömung sehr eignet.
Die Moldau und ihre Nebenflüsse sind sehr fischreich, und obwohl
es einen deutschen Angelverein bis jetzt nicht gibt, ist es nicht schwer,
eine Fischkarte zu erlangen und dem Angelsport zu huldigen.
Jagd und Hundezucht. Böhmen ist die Wildkammer Österreichs,
für Jagdfreunde gibt es Gelegenheit, in einer Jagdgesellschaft Anschluss
oder durch Verbindungen Jagdeinladungen zu erlangen. Eine hervorragende
Stellung nimmt der „St.-Hubertus deutsch-Kurzhaarverein" mit dem Sitze in
Prag ein, der ungefähr 1100 Mitglieder zählt und die Zucht des deutschen
Kurzhaarjagdhundes zu fördern bestrebt ist. Seine Mitglieder sind hervor-
ragende Jäger.
Die Freunde des Schiessportes vereinigt der deutsche Schützen-
verein „Teil", dem viele Offiziere als Mitglieder angehören, und der im
Sommer auf der Militärschiesstätte in Kobylis, im Winter Zimmerschiessen
im „Deutschen Haus" betreibt. Es wird mit Militär- und Scheibengewehren,
mit Pistolen und Revolvern geschossen und ebenso das Schiessen auf be-
Palais Clarr.-Gallas
von Fischer von Erlach.
Skulpturen
von Mathias Braun.
56
wegliche Wildscheiben und Tontauben gepflegt. Die Tellmitglieder erzielen
auf den grossen Schützenfesten stets Erfolge.
Das Eislaufen wird in Prag auf gegossenen Eisplätzen wie auch
auf der freien Moldau betrieben. Bei halbwegs günstigen Eisverhältnissen
sind sehr lohnende 6—7 km lange Touren möglich (z. B. von Prag nach
Kuchelbad). Eine Besonderheit des Prager Eissports ist der eifrige Betrieb
des Eishockeys. Zehn oder zwölf Mannschaften halten in der Saison
wöchentlich mehrfache Wettspiele ab. Eishockey betreiben sportmässig die
„Deutsche Eishockey Gesellschaft, Prag", deren erste Mannschaft sich eines
guten Rufes erfreut und wiederholt erbitterte Kämpfe mit der vielleicht besten
kontinentalen Mannschaft, dem „Leipziger Sportklub", ausgefochten hat. Diese
Prager Eishockeygesellschaft erzielte auch öfter in Wien, Budapest, Innsbruck
usw. Erfolge. Ferner betreiben Eishockey der „Deutsche Fussball Klub",
der „Deutsche Sportklub Prag VIL", die „Podoler Eishockey Gesellschaft",
während das Kunstlaufen und das Schneilaufen vom „Prager Eislaufvereiu"
gepflegt wird.
Für Ski laufen und Rodeln findet sich in unmittelbarer Nähe
von Prag, 10 — 20 Minuten Eisenbahnfahrt, hübsche Gelegenheit. Anfänger
können hier die Anfangsgründe dieser Sportszweige erlernen. Wer grössere
Skitouren und längere Abfahrten mit der Rodel, mit Skeleton und Bobs-
leight machen will, der muss eine 3 — 4stündige Eisenbahnfahrt in das Erz-
gebirge oder Riesengebirge unternehmen. Im Erzgebirge ist der Keilberg
und seine Umgebung mit Gottesgab, Joachimstal u. s. w. der Mittelpunkt,
im Riesengebirge sind Spindelmühle und Hohenelbe die Hauptwintersport-
plätze. In der nächsten Saison soll in Teplitz und Eichwald eine Bobs-
leightbahn errichtet werden, sodass dieser moderne Sport auch dort seine
Stätte finden wird.
Leicht-Athletik wird von allen Prager Fussballklubs teils als
Selbstzweck teils als Mittel, die Spieler in Form zu erhalten, stark gepflegt.
Dabei kommen alle Zweige der Leicht-Athletik in Betracht, und verschie-
Grabmal von Josef Zasche.
57
dene Veranstaltungen geben denen, die diesen Sport betreiben, Gelegenheit,
ihren Ehrgeiz zu befriedigen. Eine unübertroffene sportliche Grösse Prags
ist Em er ich Rath, der Sieger in den militärischen Gepäckmärschen in
Deutschland, die er bis jetzt 6mal überlegen gewonnen hat. Rath ist ein
hervorragender Geher; wer sich für diesen Sportzweig interessiert, hat in
Prag Gelegenheit, mit einem bedeutenden Vertreter des Gehsportes zu
trainieren.
Den Pferdesport ermöglichen die verschiedenen Prager Reit-
schulen; sie geben Gelegenheit zum Reiten in der Schule wie auch im
Terrain. Pferderennen mit sehr vielen, nur Herrenreitern zugänglichen
Ereignissen werden im Frühjahr und im Herbst abgehalten.
Das Radfahren wird in Prag eifrig betrieben; hervorragende Ver-
eine sind D. R. C. »Schwalben*, D. R. C 1900, D. R. C. Prag-VII., die
regelmässig jede Woche grössere Touren unternehmen und zeitweilig auch
Strassenrennen abhalten. Der »Deutsche Radfahrerbund« ist in Böhmen
durch zwei Gaue vertreten, Gau 32 Deutschböhmen, wozu Prag gehört,
und Gau 21 b, dem sich Aussig und Teplitz angeschlossen haben. Die
Prager Vereine pflegen auch das Saalfahren, wobei sie, ebenso wie beim
Radpolospielen, hübsche Erfolge bei den Wettbewerben des deutschen Rad-
fahrerbundes in Wien u. s. w. aufzuweisen haben.
Der »Automobilklub für Mittelböhmen« (Prag), ist die Vereini-
gung der zahlreichen Prager Automobilisten, die freundschaftliche Bezie-
hungen zu den anderen Automobilklubs in Böhmen pflegen und sich ge-
sellschaftliche wie sportliche Veranstaltungen angelegen sein lassen. Ferner
besteht eine »Deutsche Motorradfahrer- Vereinigung«, die die Interessen
dieses Sportzweiges wahrnimmt.
Der »Flugtechnische Verein für Böhmen« vereinigt die Anhänger der
Luftschiffahrt.
Der Verein Deutscher Amateur-Photographen nimmt eine
hervorragende Rolle ein, hat ein schönes eigenes Atelier, wöchentliche Vor-
träge und Diskussionsabende und fördert die Ausbildung seiner Mitglieder,
deren Arbeiten von den photographischen Ausstellungen stets preisgekrönt
heimkehren.
Schachfreunde finden starke Spieler im »Prager Schach-Klub«,
der interne Turniere und Korrespondenzpartien veranstaltet und auch
gelegentlich hervorragende Meister zu Produktionen einladet.
58
Prags Umgebung.
Die Umgebung von Prag bietet nach allen Seiten hin zahlreiche
Punkte, welche es verdienen, als Ziele für Ausflüge ins Auge gefasst zu
werden. Es sollen hier zunächst nur Ausflüge aufgeführt werden, die
mit dem Zeitaufwand eines ganzen oder halben Tages unternommen
werden können. Die Möglichkeit, hierbei nach allen Teilen hin Bahn-
strecken benützen zu können, gestattet auch einige ferner gelegene, in der
gegebenen Zeit sonst nicht ausführbare, aufnehmen zu können. Eine gute,
ausreichende Karte, am zweckdienlichsten wohl die Generalstabskarte im
Masstab 1 : 75000, ist hiebei besonders zu empfehlen. Der Umstand, dass
die Bevölkerung der Gegend um Prag durchwegs tschechisch ist,
braucht nicht als Hindernis aufgefasst zu werden; in den besseren
und besuchteren Gasthäusern versteht man genügend deutsch, und übrigens
dürften einige Redewendungen und Worte, die gerade erforderlich wären,
leicht zu erlernen sein.
Im Norden von Prag, jenseits der Moldau erhebt sich nahe dem
Südrande der weithin gedehnten Landfläche einer der höchsten Punkte der
Umgebung, der 356 m hohe Ladwi(DablitzerBerg) als Einzelberg rings-
um eine weite Fernsicht bietend. Nach Norden gewendet, übersieht man
die weite Fläche bis an das böhmische Mittelgebirge mit dem Donnersberg
und vielen anderen Kegelkuppen, die Geltsch-Rohn-Wilkoschlberge, den
Bösigen und weiter im Bogen zum Iser- und Riesengebirge bis zur Kessel-
koppe, ja an besonders hellen Tagen selbst bis zur Schneekoppe. Von dem
nach Süden gerichteten Abfalle des Berges blickt man über die Umgebung
von Prag bis an die Höhen von Schwarz- Kosteletz, über den Einschnitt
des Moldautales und die daraus aufsteigende hunderttürmige Hauptstadt
des Landes.
Das Moldautal im Norden von Prag ist eng und mit felsigen
Wänden in die von Eruptivgesteinen durchsetzten Schiefer eingeschnitten.
Von dem vielbesuchten Villenort Rostok an der Staatsbahn führt das vom
Aunjetizer Bache durchflossene „stille Tal" durch freundlichen Wald.
Rechts am Maierhof hinan gelangt man auf einem Fussweg nach dem Dorfe
Zalow, in dessen Nähe die weithin sichtbare St. Clemenskirche, eines
der ältesten Bauwerke des Landes steht.
Ein vielbesuchtes Tal nordwestlich von Prag ist die S c h a r k a. Ihren
Ausstrich, die „wilde Scharka", erreicht man leicht. Durch wild zerrissene
steile Felswände folgt man dem Bache abwärts in das allmählich freund-
licher werdende Tal der bei der Generalka beginnenden „milden oder zahmen
Scharka". Ein Fussweg führt von der Generalka über den in deutschen
Studentenkreisen wohlbekannten „Schipkapass" nach dem Dorfe Dejwitz.
Im Westen von Prag liegt der vielbesuchte, an anmutigen Wald-
strecken reiche kaiserliche Tiergarten „Stern", sogenannt nach dem
darin von Erzh. Ferdinand von Tirol 1555 in Sternform erbauten Jagdschlosse.
Unmittelbar daran stösst südlich die Fläche des „weissen Bergs"
zwischen Rusin und Motol, auf welchem am 8. November 1620 die viel
genannte Schlacht geschlagen wurde. Stromaufwärts auf der linken Seite
der Moldau tut sich unter dem Abhänge des Rückens, auf dem die aus
der tschechischen Sage bekannte Mägdeburg gelegen haben soll — altes
59
Mauerwerk zeigt noch ihre Stelle — das Tal von Hlub^otschep, weiter
einwärts Prokopital genannt, auf.
Weiter das Moldautal aufwärts führt die Strasse entlang dem be-
rühmten geologischen Profil, das in der Talwand aufgeschlossen ist, nach
Kuchelbad, einem vielbesuchten Ausflugsort. Auch der Nichtgeologe
wird die wunderlich ineinander gestauchten Kalksteinschichten an der Fels-
wand, welche den Namen des verdienstvollen Erforschers des inner-
böhmischen Paläozoikums „Barrande" trägt, bewundern. Von der einsam
auf einer Felsgruppe gelegenen weithin sichtbaren Kirche oberhalb Kuchel-
bad geniesst man einen prächtigen Fernblick über das Moldautal und die
im Süden herantretenden bewaldeten Höhen.
Die breite Talmündung, aus welcher die Beraun in die Moldau
fliesst, verengert sich bald. Man gelangt nach Karist ein, das plötzlich
überraschend und stolz auf einer Felsenkuppe auf der linken Seite des
Flusses hervortritt. Trotz schwerer Zeitschicksale, die seit der Erbauung
der Burg durch Karl IV., der sie zum Aufbewahrungsorte der böhmischen
Reichskleinodien bestimmt hatte, darüber hinweggegangen sind, birgt die
nun wieder hergestellte Veste noch viele kostbare Denkmale mittelalter-
licher Kunst. Bereits im Bereiche des böhmischen Waldgebirges gelegen,
bietet die Umgebung prächtige Waldwege. Ein gut gemarkter Weg führt
an dem Dorfe Bubowitz vorüber durch schöne Waldstrecken in das von
malerischen Kalkfelsen umrahmte Tal von St. Jvan (St. Johann unter
dem Felsen), einem der herrlichsten Talgründe in Prags Umgebung. Das Tal
abwärts gelangt man über das Dorf Hostin ins Berauntal. Von St. Jvan
führt ein herrlicher Waldweg in etwa 2 Stunden hinüber in das alte
Städtchen Beraun. Von hier aus ermöglicht sich ein Ausflug nach dem
alten, erinnerungsreichen Schlosse Pürglitz, von wo aus man leicht die
berühmten Pürglitzer Wälder erreicht. Auf der rechten Seite der
Beraun bieten sich Gelegenheiten zu schönen Waldwanderungen. Von
Rschewnitz gelangt man das Talgehänge aufwärts nach dem schön ge-
legenen Försterhause auf der Skalka und kann auf einem anderen Wege
nach Dobrichowitz wandern. Von diesem Orte führt ein gleichfalls herr-
licher Waldweg nach Jilo wischt, und von da über das Gehänge des
Moldautales hinab nach Königsaal, wenn man nicht vorzieht, auf aller-
dings steilem Wege schon früher in dieses herabzusteigen.
Die Moldau aufwärts verkehren Dampfboote von Prag bis Stjechowitz.
Oberhalb Kuchelbad berühren sie das freundliche Städtchen K ö n i g s a a 1
mit schönem Schloss und Park, einst ein berühmtes Zisterzienserstift. Von
der St. Gallikirche über der Stadt geniesst man eine prächtige Aussicht in
das Moldau- und Berauntal. Eine Brücke führt über die Moldau nach dem
beliebten Villenort Z a v i s t (Zaluschanka) am Eingange eines prächtigen
Waldtales unter dem Berge Hradischt, von dessen Gipfel sich eine weite
Fernsicht über das Waldgebiet an der Moldau und Beraun bietet.
Von Königsaal aufwärts verengt sich das von steilen Felsenwänden
eingefasste Moldautal. Bei Da wie tritt die Sazawa aus einem freundlichen
Seitentale in die Moldau. Von Stjechowitz gelangt man in dreiviertel-
stündiger Wanderung zu den vielbesuchten Stromschnellen bei St.
Johann.
60
Noch sei des vielbesuchten Ausflugsortes, der Kundratitzer Mühle,
gedacht, die idyllisch in einem Waldtal gelegen von Unterkrtsch auf präch-
tigen Wegen in einstündiger Wanderung zu erreichen ist.
Nicht minder lohnend sind die Ausflüge nach Deutsch-
böhmen. Eine einstündige Eisenbahnfahrt von Prag nach Norden genügt,
um ins deutsche Sprachgebiet zu gelangen. Der erste deutsche Ort, den
man hier erreicht, ist L i b o c h. Weiters eignen sich für Tagesausflüge noch
alle Orte an der Strecke Prag-Bodenbach, event. Karlsbad, das eine
vorzügliche Eisenbahnverbindung mit Prag hat. Der Besuch des herrlichen
Elbetals ist besonders im Frühjahr zu empfehlen, wenn seine Obstkulturen
in voller Blüte stehen. Man fährt da etwa mit der Bahn bis Lobositz
oder Leitmeritz und von hier durch „Böhmens Paradies" mit dem
Dampfer stromabwärts an dem lieblichen Säle sei und dem Schrecken-
stein vorbei, dessen pittoreskes Felsengebilde noch immer mit der Ruine
seiner Raubritterburg so dasteht, wie es Ludwig Richter auf seinem be-
rühmten Gemälde in der Dresdner Galerie verewigt hat, nach Aussig
und von hier in die „Böhmische Schweiz". Von Aussig kann man auch
mit der Bahn bequem nach Teplitz und in das böhmische Mittelgebirge
gelangen.
Für zwei- und mehrtägige Ausflüge ins deutsche
Böhmen sind wohl zunächst die westböhmischen Kurorte zn nennen,
neben Karlsbad, das einen mehrtägigen Aufenthalt entschieden lohnt, M a-
rienbad und Franzensbad, dann aber auch eine Reihe kleinerer Kur-
orte und Sommerfrischen, wie beispielsweise Giesshübl, Königswart
usw. Eine Fülle der dankbarsten Partien bieten die böhmischen Rand-
gebirge. Im Westen der Böhmerwald, dem Hochwald und Moor seinen
besonderen Charakter geben. Seine höchste Erhöhung ist der Arber bei
Eisenstein (1458 m). Den Kern des deutschen Gebietes in Westböhmen
bildet das Egerland mit dem Hauptorte Eger. Für Sommerwanderungen
wie geschaffen ist das Erzgebirge, das im Nordwesten Böhmens die
Grenze gegen das Königreich Sachsen bildet. Seine wundervollen Täler
und Wälder sind aber auch ein geradezu idealer Wintersportplatz,
der sich mit den berühmtesten Gegenden dieser Art in der Schweiz getrost
messen kann. Der höchste Gipfel des Erzgebirges ist der Keilberg
(1244 m). Die allgemeine Aufmerksamkeit hat in der letzten Zeit der Erz-
gebirgsort Joachimstal wegen seiner radioaktiven Heilwässer auf sich
Burg Karlstein.
61
gelenkt. Im Norden Böhmens liegt in einem schönen Talkessel zwischen
dem Iser- undjeschkengebirgean den Ufern der Oörlitzer Neisse
Reichenberg, die Metropole des deutschen Böhmens. Die Perle aller
deutschen Mittelgebirge ist das Riesengebirge, das Böhmen im Osten
gegen Preussen abgrenzt. In seiner Schneekoppe (1605 m) besitzt es
ein Lug-ins-Land sondergleichen. Im Riesengebirge liegt das Wildbad
Johannisbad, der Luftkurort und Wintersportplatz Spindelmühle
und an seinem Fuss, umgeben von einem bewaldeten Bergkranz, die schöne
Stadt Trauten au. Eine grossartige Sehenswürdigkeit Deutschböhmens
sind im ostböhmischen Faltengebirge die Adersbacher und Weckeis-
dorfer Felsen.
INHALTSVERZEICHNIS.
PRAG ALS DEUTSCHE HOCHSCHULSTADT S. 3 bis S. 37
Die deutsche Karl-Ferdinands-Universität » 5
Theologische Fakultät » 6
Rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät » 7
Medizinische Fakultät » 9
Philosophische Fakultät »16
Die deutsche technische Hochschule »26
Büchereien »31
Studienbedingungen . . • . » 32
Das studentische Vereinswesen »33
Stipendien, Freiwohnungen, Freitische »36
Wohnung und Mittagbrot »37
DAS DEUTSCHE LEBEN IN PRAG S. 38 bis S. 62
Das deutsche Geistesleben »38
Das musikalische Prag »45
Prag als Kunststätte »48
Der Prager Sport »54
Die Umgebung Prags »59
Auskunftsquellen Umschlag » 3
Eisenbahnkarte mit Reisezeiten nach Prag Umschlag » 4
D
Auskünfte erteilen:
Deutscher Volksrat, Ortsrat Prag, Graben 26.
Kanzlei der deutschen Universität, Obstmarkt 7.
Kanzlei der deutschen technischen Hochschule, Husgasse 5.
»Germania«, Lese- u. Redeverein deutscher Hochschüler, Krakauerg. 16.
Lese- und Redehalle deutscher Studenten in Prag, Krakauergasse 14.
Verband katholischer Studentenvereine, Smetschkagasse 22.
Prager deutsche Zeitungen und
Zeitschriften :
»BOHEMIA«, zweimal täglich.
»PRAGER TAGBLATT«, zweimal täglich.
»PRAGER ABENDBLATT«.
»MONTAGSBLATT AUS BÖHMEN«.
»DEUTSCHE ARBEIT«, Monatsschrift für das
geistige Leben der Deutschen in Böhmen.
Vorlesungsverzeichnisse
sind kostenlos durch die beiden vorgenannten Kanzleien der deutschen
Hochschulen zu beziehen.
Stadtpläne von Prag:
»FÜHRER von PRAG«. In verschiedener Ausführung und Preislage.
Herausgegeben von Carl Bellmann.
STADTPLAN mit zweisprachigem Strassenverzeichnis von Carl Bellmann.
T^f
LA Deutscher Volksrat für Böhmens
689 Ortsrat Prag
P8D48 Prag als deutsche Hoch-
schulstadt
PLEASE DO NOT REMOVE
CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET
UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY